(Priester) Leiter:innen von Gottesdiensten sollten sich der historischen Wurzeln von Antisemitismus bewusst sein, der häufig mit christlichen Erzählungen verknüpft wurde. Besonders die Karwoche war durch Predigten geprägt, wonach die Passionsgeschichte antijüdische Narrative enthält.
Historische Gefahren: Im Mittelalter wurden Juden in der Karwoche zu Opfern von Gewalt, oft angestachelt durch Predigten, die Juden kollektiv für den Tod Jesu verantwortlich machten.
Biblische Genauigkeit: Predigen Sie klar, dass Jesus und seine Anhänger Juden waren, die innerhalb der jüdischen Tradition lebten. Vermeiden Sie Formulierungen, die ein „Wir“ (Christen) gegen „Sie“ (Juden) implizieren oder suggerieren, dass das Christentum bereits zu Jesu Lebzeiten als eigenständige Religion existierte. Von Auferstehung als einer neuen, speziell und einzigartigen christlichen Erfahrung zu sprechen, ist falsch.
Achtsamkeit in der Liturgie
Die Liturgie ist ein zentraler Bestandteil des kirchlichen Lebens und eine intime, gemeinschaftliche Erfahrung. Gerade hier können antijüdische Stereotype oder Narrative unbemerkt Einzug halten.
Überprüfung der Sprache: Stellen Sie sicher, dass die verwendeten Gebete und Einführungen keine negativen Darstellungen von Juden oder der jüdischen Tradition enthalten. Zum Beispiel sollte in Predigten und Einführungen zur Passionsgeschichte klar darauf hingewiesen werden, dass es ein falsches Verständnis ist, Juden kollektiv als „Gottesmörder“ zu diffamieren (z. B. Matthäus 27,25). Unterstreichen Sie, dass solche Anschuldigungen historisch falsch sind und über Jahrhunderte zu Gewalt gegen Juden geführt haben.
Der Gesang der Improperien am Karfreitag verdient besondere Beachtung: Hier finden Sie praktische Hinweise zu Improperien.
Symbolik von Dunkelheit und Licht: Osterrituale, die den Übergang von Dunkelheit zu Licht symbolisieren, sollten nicht so interpretiert werden, dass die Dunkelheit mit dem Judentum ("Altes" Testament) und das Licht mit dem Christentum (Neues Testament) gleichgesetzt wird.
Praktische Tipps zu Lichtweitergabe:
Die Osterkerze dient als Quelle für das Licht der anderen Kerzen. Zunächst entzünden die Ministranten ihre Kerzen an der Osterkerze. Anschließend geben sie das Licht an die versammelte Gemeinde weiter.
Beleuchtung der Kirche: Während oder unmittelbar nach dem Erklingen des Exsultet werden alle Lichter in der Kirche eingeschaltet.
Diese feierliche Handlung unterstreicht die universale Heilsbedeutung der Auferstehung Christi. Dadurch wird auch unbewusster Antisemitismus in der Liturgie vermieden: Die Symbolik von Dunkelheit und Licht wird nicht so interpretiert, dass Dunkelheit mit dem Judentum und Licht mit dem Christentum gleichgesetzt wird. Vielmehr steht die Dunkelheit für den Tod und die Abwesenheit Christi, die alle Menschen betrifft, während das Licht die Freude über die Auferstehung für die gesamte Menschheit symbolisiert.
Kontextualisierung von Schriftlesungen
Viele neutestamentliche Texte, insbesondere solche mit harscher Rhetorik gegenüber jüdischen Gruppen (z. B. in den Evangelien oder den Briefen), sollten in ihrer historischen Situation als innerjüdische Debatten des 1. Jahrhunderts erklärt werden.
Machen Sie deutlich, dass diese Texte keine Grundlage für dauerhafte theologische Vorwürfe gegen Juden sind.
Heben Sie hervor, dass die Verantwortung für die Kreuzigung Jesu bei den römischen Behörden lag und nicht bei „den Juden“ als Ganzes. Selbst für die römische Besatzungsmacht war Pontius Pilatus später nicht mehr tragbar: Wegen zu großer Grausamkeit in seiner Amtsführung wurde er abgesetzt.
Hier sind einige Beispiele für positive und theologisch verantwortungsvolle Formulierungen im Umgang mit Matthäus 27,25 („Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“), die Missverständnisse vermeiden und den Vers richtig einordnen:
1. Den historischen Kontext betonen
„Matthäus 27,25 spiegelt eine spezifische Situation zur Zeit Jesu wider und darf nicht als allgemeine Schuldzuweisung an das jüdische Volk verstanden werden.“
„Der Vers ist eine juristische Redewendung der damaligen Zeit und nicht als Fluch zu deuten.“
„Die Evangelien erzählen und reflektieren konkrete Ereignisse und berichten nicht von einer kollektiven Schuld.“
2. Theologische Klärung
„Jesu Tod war kein Zufall, sondern Teil von Gottes Heilsplan für alle Menschen.“
„Das Blut Jesu ist nicht ein Zeichen der Verdammnis, sondern der Erlösung für die ganze Menschheit.“
„Jesus selbst lehrte Vergebung und forderte uns auf, unsere Feinde zu lieben – nicht, Schuld zuzuweisen.“
3. Vermeidung von Schuldzuweisungen
„Die Kirche lehnt die Vorstellung einer kollektiven Schuld des jüdischen Volkes an Jesu Tod entschieden ab.“
„Über Jahrhunderte wurde dieser Vers missbraucht, um Antisemitismus zu rechtfertigen – doch das widerspricht völlig der Botschaft Jesu.“
„Wir sind als Christen berufen, diesen Text im Licht der Liebe und Versöhnung zu lesen, nicht der Anklage.“
4. Die wahre Bedeutung von Jesu Blut hervorheben
„Das Blut Jesu steht für Leben und Heil – es ist ein Zeichen der Liebe Gottes zu allen Menschen.“
„Die Passionserzählung zeigt nicht, wer schuld ist, sondern wie weit Gottes Liebe für die Menschheit geht.“
„Jesu Blut ruft uns nicht zu Hass auf, sondern zur Versöhnung und zur Überwindung von Feindschaft.“
Respekt vor jüdischen Ritualen
In der aufrichtigen Absicht, die jüdische Wurzel des Christentums zu würdigen, veranstalten einige Gemeinden christliche Pessach-Feiern (Seder), in denen christologische Bedeutungen in jüdische Rituale eingefügt werden. Auch die wohlmeinende Aneignung eines fremden Ritus ist respektlos, und die Benützung der äußeren Form kann einem Außenstehenden die Tiefe der Bedeutung nicht erschließen.
Stattdessen könnten Sie Rabbiner oder jüdische Gemeindemitglieder einladen, die Bedeutung von Pessach im Judentum zu erläutern. Eine gemeinsame Bildungsfeier wäre eine respektvolle Alternative.
Historische Forschungen machen klar, dass keine einfache Linie vom jüdischen Seder zum letzten Abendmahl Jesu gezogen werden kann.
Förderung christlich-jüdischer Verständigung
Predigen Sie nicht, dass der Bund Gottes mit den Juden aufgehoben wurde. Christen können ihre Teilhabe am Bund Gottes feiern, ohne die Treue Gottes zu seinem Bund mit dem jüdischen Volk zu leugnen.
Ermutigen Sie zu Dialog mit jüdischen Gemeinden, um ein besseres Verständnis der gemeinsamen Wurzeln und Unterschiede zu fördern.
Die Botschaft der Erlösung ohne Abwertung
Verkündigen Sie die Auferstehung Christi mit einer Sprache, die niemanden ausgrenzt oder verletzt. Besonders angesichts der schrecklichen Erfahrungen jüdischer Gemeinschaften in der Geschichte – von Pogromen bis hin zum Holocaust – ist es entscheidend, keine Worte oder Bilder zu verwenden, die antijüdischen Hass fördern könnten.
Weisen Sie darauf hin, das die Auferstehungserfahrung eine zutiefst jüdische Erfahrung ist: Wer dem Ewigen gegenüber treu ist, dem wird auch der Ewige stets treu sein. Weisheit 5,15: "Die Gerechten aber leben in Ewigkeit, der Herr belohnt sie, der Höchste sorgt für sie."
Erinnern Sie daran, dass es jüdische Menschen waren, die uns das Auferstehungszeugnis überliefert haben: Die Apostel, Paulus, Maria Magdalena. Wir Christ:innen sind dem Judentum zu höchster Dankbarkeit verpflichtet für dieses Zeugnis, für die Leben spendende Kraft des Einen und Ewigen Gottes.
Zusammenfassung
Die Verkündigung des Evangeliums und die Feier der Liturgie bieten die Chance, Liebe, Respekt und Versöhnung zu fördern. Dies kann nur gelingen, wenn bewusst darauf geachtet wird, historische und theologische Verzerrungen zu vermeiden, die zu Antisemitismus beitragen könnten. Die Botschaft der Auferstehung Christi sollte eine Botschaft der Hoffnung und Solidarität sein – frei von Abwertung und Verachtung.
Bücher-/Lesetipps
- Norbert Reck: Dem Juden Jesus auf der Spur
- Norbert Reck (Hrsg.), Paul Petzel (Hrsg.): Von Abba bis Zorn Gottes, Irrtümer aufklären – das Judentum verstehen
- Doron Kiesel (Hrsg.), Joachim Valentin (Hrsg.), Christian Wiese (Hg.): Jüdisch-christlicher Dialog. Ein Kompendium
- Christian Frevel/René, W. Dausner (Hrsg.): Schulter an Schulter
- Christian Rutishauser, Barbara Schmitz, Jan Woppowa (Hrsg.): Jüdisch-christlicher Dialog
- Joseph Sievers (Hrsg.), Amy-Jill Levine (Hrsg.), Jens Schröter(Hrsg.): Die Pharisäer - Geschichte und Bedeutung (Buch zur Vatikanischen Konferenz 2019)