Grußwort für die Eröffnung der jüdischen Erinnerungsstätte der Stadtgemeinde Zwettl-NÖ am 9. November 2023, 85 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938
06/12/23 Stellungnahmen
Eigentlich wollte ich nur das Positive der heutigen Eröffnung der jüdischen Erinnerungsstätte und ein wenig Zwettler Geschichte ansprechen, doch die Ereignisse seit dem 7. Oktober 2023 lassen das nicht zu. Zu gefährlich hat sich die Situation auch in Österreich – und nicht nur für die Juden im Land – entwickelt.
85 Jahre nach dem Novemberpogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten wir Juden gehofft, wir können das Wort „Pogrom“ in die Schublade „Erinnerung ist wichtig, um eine Wiederholung zu verhindern“. Der mörderische Überfall vom 7. Oktober 2023 in Israel auf ein Festival und Siedlungen im Grenzgebiet zu Gaza und in der Folge auch die Jagd auf Israelis auf dem Flughafen Machatschkala in der russischen Teilrepublik Dagestan und die Suche nach Juden in Hotels der Stadt haben jegliche Hoffnung verstummen lassen.
85 Jahre nach dem Novemberpogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten wir Juden gehofft, wir können das Wort „Pogrom“ in die Schublade „Erinnerung ist wichtig, um eine Wiederholung zu verhindern“. Der mörderische Überfall vom 7. Oktober 2023 in Israel auf ein Festival und Siedlungen im Grenzgebiet zu Gaza und in der Folge auch die Jagd auf Israelis auf dem Flughafen Machatschkala in der russischen Teilrepublik Dagestan und die Suche nach Juden in Hotels der Stadt haben jegliche Hoffnung verstummen lassen.
Bereits am 2. November 2022 hat ein Terrorist vor dem Wiener Stadttempel, der Hauptsynagoge der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, seine Anschlagstour begonnen. Er hat jedoch keine Juden angetroffen und dann in einem Lauf durch das Ausgehviertel 4 Menschen ermordet und 23 verletzt. Wie schon am Jom Kippur, dem heiligsten jüdischen Feiertag, des Jahres 2019 im deutschen Halle an der Saale, richtete auch in Wien der Terrorist nach dem erfolglosen Versuch, Juden zu ermorden, seine Mordgelüste gegen nicht-jüdische Menschen, die gerade in Reichweite waren. Wir alle können potentielle Opfer des Terrors fundamentalistischer Ideologen werden, gleichgültig welcher Religion oder Lebensführung wir zuneigen.
Wenden wir uns nun Zwettl und seiner Geschichte mit seinen Juden zu. Die ersten schriftlich verbrieften Juden sind im ersten Viertel nach Zwettl gekommen. Da Juden die Aufnahme in die Zünfte verwehrt war, blieben ihnen nur wenige Einkommensmöglichkeiten. Eine davon war der Geldverleih gegen Zinsen, den die Kirche für Katholiken verboten hat. Wie auch heute waren damals Kredite für ein gesundes Wirtschaftsleben unabdingbar. Die Kreditnehmer finden wir unter Bauern, Gewerbetreibenden, Adeligen, aber auch kirchlichen Institutionen.
Die erste jüdische Ansiedlung endete jedoch nach kurzer Zeit. Mit der verleumderischen in die Welt Setzung der Erfindung einer angeblichen Hostienschändung in Pulkau im Jahr 1338 setzte eine Welle von Pogromen in mehreren Orten Österreichs, Böhmens und Mährens ein, die auch zur Auslöschung der jüdischen Ansiedlung in Zwettl führte. Danach gibt es bis ins 16. Jahrhundert keinen Hinweis auf Juden in Zwettl. 1560 scheint zwar eine Judengasse (heute Hamerlingstraße) in einem Schriftstück des Stadtarchivs auf, aber es gibt keine Daten zu einer jüdischen Bevölkerung.
Im 19. Jahrhundert finden wir wieder jüdische Familien in Zwettl. Sie finden sich zu einen „Cultusverein“ zusammen. Eine Kultusgemeinde gab es in Zwettl nie. Die Zwettler Juden waren Mitglieder der Kultusgemeinde Waidhofen an der Thaya.
Was eine – auch kleine – jüdische Gemeinde benötigt ist ein Betraum für die Gemeinschaftsgebete – vulgo G'ttesdienste – und einen Friedhof. Seit etwa 1870 wurde ein Betraum in einem Privathaus genutzt, ab 1898 der Saal des Gasthauses „Zum goldenen Hirschen“. Mitte der 1880er Jahre kaufte der Gemeindevorsteher Samuel Schmidloff am Hang des Galgenbergs ein Grundstück, auf dem der Friedhof angelegt und eingeweiht wurde. Er steht heute unter Denkmalschutz.
Aber auch der Antisemitismus, also der Hass gegen die Juden aufgrund religiöser Vorbehalte, Konkurrenzneid oder pseudowissenschaftlicher Rassentheorien, hielt in Zwettl Einzug. 1870 wurde der rabiat-antisemitische Georg Ritter von Schönerer Ehrenbürger von Zwettl. Es gab aber auch eine andere Geisteshaltung: Am 18.(?) Juli 1890 hat „der Stadtrath von Zwettl … in seiner letzten Sitzung dem antisemitischen Redacteur Wolff, der bei dem „deutsch-nationalen“ Turnfest eine judenfeindliche Rede hielt, seine „tiefste Verachtung“ ausgedrückt“ (Jüdische Presse vom 30. Juli 1890).
Im 20. Jahrhundert verringerte sich die Zahl der Juden in Zwettl. Wahrscheinlich zogen es insbesondere jüngere Leute vor, in Städte mit größerer jüdischer Bevölkerung zu ziehen.
Mit der Besetzung Österreichs durch die deutsche Wehrmacht des Dritten Reichs und dem Auslöschen Österreichs begann auch in Zwettl die organisierte Verfolgung und Zwangsumsiedlung der Juden. Einige konnten sich ins Ausland retten. Die Details dazu werden in einem anderen Vortrag dargestellt werden.
Nach 1945 hat sich kein Jude in Zwettl angesiedelt. Und viele Jahre war man nicht daran interessiert, das Thema anzusprechen.
Daher begrüßen wir Juden besonders, dass die Initiative zur Errichtung der Erinnerungsstätte an die jüdische Bevölkerung von 1938 von der Stadt Zwettl und nicht von jüdischer Seite ausging. Insbesondere freut uns, dass Schüler daran beteiligt sind. Dies gibt Hoffnung, dass Zwettl auch in Zukunft von Menschen gelenkt wird, die eine Ideologie ablehnen, die wie die der Nazis, auf die Ausgrenzung bis hin zur Vertreibung und Ermordung von Menschen hinsteuert, die als die „Anderen“ definiert wird. Und dass insbesondere der Antisemitismus keine Basis mehr in Zwettl finden wird, gleichgültig, ob es hier Juden gibt oder nicht. Ja, es gibt auch einen Antisemitismus ohne Juden; dabei wird von der Gestalt und dem Verhalten von realen Menschen abstrahiert und diese imaginiert. Hauptsache, es gibt ein Feindbild, um das man sich scharen kann.
Liebe Zwettler Jugend, lernt aus der Geschichte, dass man Verführern, die durch den Aufbau von Feindbildern an die Macht kommen wollen, niemals folgen darf. Zuerst werden die Feinde eliminiert, dann die, die nicht ganz mit den Machthabern konform gehen, und letztlich alle Anderen, die eigentlich nur in Ruhe ihr Leben genießen wollen. Unter fundamentalistischen Ideologen gibt es kein Leben in Ruhe.
Um jedoch gegen solche Ideologien gewappnet sein zu können, ist es notwendig, die Geschichte zu kennen. Und ein Zugang dazu, ist diese Erinnerungsstätte, die der Stadt Zwettl zur Ehre gereicht.
Wenden wir uns nun Zwettl und seiner Geschichte mit seinen Juden zu. Die ersten schriftlich verbrieften Juden sind im ersten Viertel nach Zwettl gekommen. Da Juden die Aufnahme in die Zünfte verwehrt war, blieben ihnen nur wenige Einkommensmöglichkeiten. Eine davon war der Geldverleih gegen Zinsen, den die Kirche für Katholiken verboten hat. Wie auch heute waren damals Kredite für ein gesundes Wirtschaftsleben unabdingbar. Die Kreditnehmer finden wir unter Bauern, Gewerbetreibenden, Adeligen, aber auch kirchlichen Institutionen.
Die erste jüdische Ansiedlung endete jedoch nach kurzer Zeit. Mit der verleumderischen in die Welt Setzung der Erfindung einer angeblichen Hostienschändung in Pulkau im Jahr 1338 setzte eine Welle von Pogromen in mehreren Orten Österreichs, Böhmens und Mährens ein, die auch zur Auslöschung der jüdischen Ansiedlung in Zwettl führte. Danach gibt es bis ins 16. Jahrhundert keinen Hinweis auf Juden in Zwettl. 1560 scheint zwar eine Judengasse (heute Hamerlingstraße) in einem Schriftstück des Stadtarchivs auf, aber es gibt keine Daten zu einer jüdischen Bevölkerung.
Im 19. Jahrhundert finden wir wieder jüdische Familien in Zwettl. Sie finden sich zu einen „Cultusverein“ zusammen. Eine Kultusgemeinde gab es in Zwettl nie. Die Zwettler Juden waren Mitglieder der Kultusgemeinde Waidhofen an der Thaya.
Was eine – auch kleine – jüdische Gemeinde benötigt ist ein Betraum für die Gemeinschaftsgebete – vulgo G'ttesdienste – und einen Friedhof. Seit etwa 1870 wurde ein Betraum in einem Privathaus genutzt, ab 1898 der Saal des Gasthauses „Zum goldenen Hirschen“. Mitte der 1880er Jahre kaufte der Gemeindevorsteher Samuel Schmidloff am Hang des Galgenbergs ein Grundstück, auf dem der Friedhof angelegt und eingeweiht wurde. Er steht heute unter Denkmalschutz.
Aber auch der Antisemitismus, also der Hass gegen die Juden aufgrund religiöser Vorbehalte, Konkurrenzneid oder pseudowissenschaftlicher Rassentheorien, hielt in Zwettl Einzug. 1870 wurde der rabiat-antisemitische Georg Ritter von Schönerer Ehrenbürger von Zwettl. Es gab aber auch eine andere Geisteshaltung: Am 18.(?) Juli 1890 hat „der Stadtrath von Zwettl … in seiner letzten Sitzung dem antisemitischen Redacteur Wolff, der bei dem „deutsch-nationalen“ Turnfest eine judenfeindliche Rede hielt, seine „tiefste Verachtung“ ausgedrückt“ (Jüdische Presse vom 30. Juli 1890).
Im 20. Jahrhundert verringerte sich die Zahl der Juden in Zwettl. Wahrscheinlich zogen es insbesondere jüngere Leute vor, in Städte mit größerer jüdischer Bevölkerung zu ziehen.
Mit der Besetzung Österreichs durch die deutsche Wehrmacht des Dritten Reichs und dem Auslöschen Österreichs begann auch in Zwettl die organisierte Verfolgung und Zwangsumsiedlung der Juden. Einige konnten sich ins Ausland retten. Die Details dazu werden in einem anderen Vortrag dargestellt werden.
Nach 1945 hat sich kein Jude in Zwettl angesiedelt. Und viele Jahre war man nicht daran interessiert, das Thema anzusprechen.
Daher begrüßen wir Juden besonders, dass die Initiative zur Errichtung der Erinnerungsstätte an die jüdische Bevölkerung von 1938 von der Stadt Zwettl und nicht von jüdischer Seite ausging. Insbesondere freut uns, dass Schüler daran beteiligt sind. Dies gibt Hoffnung, dass Zwettl auch in Zukunft von Menschen gelenkt wird, die eine Ideologie ablehnen, die wie die der Nazis, auf die Ausgrenzung bis hin zur Vertreibung und Ermordung von Menschen hinsteuert, die als die „Anderen“ definiert wird. Und dass insbesondere der Antisemitismus keine Basis mehr in Zwettl finden wird, gleichgültig, ob es hier Juden gibt oder nicht. Ja, es gibt auch einen Antisemitismus ohne Juden; dabei wird von der Gestalt und dem Verhalten von realen Menschen abstrahiert und diese imaginiert. Hauptsache, es gibt ein Feindbild, um das man sich scharen kann.
Liebe Zwettler Jugend, lernt aus der Geschichte, dass man Verführern, die durch den Aufbau von Feindbildern an die Macht kommen wollen, niemals folgen darf. Zuerst werden die Feinde eliminiert, dann die, die nicht ganz mit den Machthabern konform gehen, und letztlich alle Anderen, die eigentlich nur in Ruhe ihr Leben genießen wollen. Unter fundamentalistischen Ideologen gibt es kein Leben in Ruhe.
Um jedoch gegen solche Ideologien gewappnet sein zu können, ist es notwendig, die Geschichte zu kennen. Und ein Zugang dazu, ist diese Erinnerungsstätte, die der Stadt Zwettl zur Ehre gereicht.