Artikel
„Das Leben steht für uns im Mittelpunkt“
08/01/23
Willy Weisz lebt in Wien und ist um das gute Miteinander von Jüd:innen und Christ:innen bemüht. Dabei hat sich der jüdische Physiker und Mathematiker auf den Bereich der Bioethik aus jüdischer Sicht spezialisiert.
Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau die jüdische Patientenbetreuung im AKH aufgebaut. Wie kam es dazu?
Willy Weisz: Meine Frau hat nach einer Ausbildung zur biomedizinischen Analytikerin im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien zu arbeiten begonnen. Sie ist immer wieder an der kleinen Synagoge des Spitals vorbeigegangen, deren Schaufenster immer staubiger wurden, weil sich niemand darum gekümmert hat. Das hat sie geärgert. Sie beschwerte sich bei Rabbiner Eisenberg darüber. Seine Reaktion war: „Dann mach du es“. So ist meine Frau offiziell von der Kultusgemeinde als „jüdische Seelsorgerin“ angemeldet worden. Wir haben uns dann am aufkommenden interreligiösen Dialog im AKH beteiligt. Wir teilen uns bis heute die Arbeit. Meine Frau hat die Empathie und ich bin der Theoretiker.
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Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau die jüdische Patientenbetreuung im AKH aufgebaut. Wie kam es dazu?
Willy Weisz: Meine Frau hat nach einer Ausbildung zur biomedizinischen Analytikerin im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien zu arbeiten begonnen. Sie ist immer wieder an der kleinen Synagoge des Spitals vorbeigegangen, deren Schaufenster immer staubiger wurden, weil sich niemand darum gekümmert hat. Das hat sie geärgert. Sie beschwerte sich bei Rabbiner Eisenberg darüber. Seine Reaktion war: „Dann mach du es“. So ist meine Frau offiziell von der Kultusgemeinde als „jüdische Seelsorgerin“ angemeldet worden. Wir haben uns dann am aufkommenden interreligiösen Dialog im AKH beteiligt. Wir teilen uns bis heute die Arbeit. Meine Frau hat die Empathie und ich bin der Theoretiker.
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Chanukkah und Weihnachten
16/12/22
In manchen Jahren fallen das jüdische Chanukkah und das christliche Weihnachten zusammen. Aus der Entstehungsgeschichte haben beide Feste keine Gemeinsamkeiten. Umso mehr in der Symbolik und Tradition: Licht, Geschenke, Familienfeier, Süßigkeiten, Gesang.
Am 17. Dezember beginnt die Weihnachtsnovene, die unmittelbare Vorbereitung auf das Christfest. Neun Tage sind es bis zum 25., neun in der Liturgie und im Brauchtum besonders ausgezeichnete Tage. Tag für Tag führt uns die Liturgie nun an das Kommen des Erlösers heran. Wir hören aus dem Alten Testament viel von nicht mehr erwartbaren Kindern und die Vorgeschichte Jesu aus den Evangelien nach Matthäus und Lukas. Auch wenn Jesus als jüdisches Kind vor mehr als 2000 Jahren in Israel geboren wurde, muss er immer wieder neu in unseren Herzen, in unseren Völkern und in der Welt geboren werden. Darum ruft die Kirche nun sieben Mal in Folge in der „O-Antiphon“ zum Magnificat feierlich „Komm!“
- und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht.
- und befreie uns mit deinem starken Arm!
- und errette uns, erhebe dich, säume nicht länger!
- und öffne den Kerker der Finsternis und die Fessel des Todes!
- und erleuchte, die da sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes!
- und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet!
- eile und schaffe uns Hilfe, du unser Herr und unser Gott!
Für christliche Ohren mag es eine Überraschung sein wenn die Sänger zu Chanukkah die Melodie des bekannten Adventsliedes „Tochter Zion“ anstimmen. Händel kannte mehrere Helden. Er hatte das Lied für sein „Joshua“ geschrieben und konnte es noch einmal gut gebrauchen. Als „Judas Maccabaeus“ sich zu seinem erfolgreichsten Oratorium entwickelte, vergrößerte das Werk in nicht geringem Maße die Bekanntheit des jüdischen Freiheitskämpfers in der christlichen Welt. Und die Melodie kommt an Chanukkah noch immer zum Einsatz, als „Hava Narima“.
Am 19. Dezember beginnt heuer das jüdische Fest des Lichts: Chanukkah. Es erinnert an die Reinigung des Tempels in Jerusalem, des jüdischen Zentralheiligtum, von der Besudelung durch den Götzendienst der griechisch-syrischen Besatzungsmacht, gefolgt von der Wiedereinweihung sowie der Wiederaufnahme des G'ttesdienstes. In Erinnerung an die achttägige Feier der Einweihung zünden Juden acht Tage lang jeden Tag ein Licht mehr an der Menorah, dem achtarmigen Leuchter, mit dem zusätzlichen neunten Arm, der ein Feuer trägt, von dem aus die anderen entzündet werden.
Nach dem Sieg gegen die Armeen von Antiochus IV. Epiphanes im Jahr 164 vor der Zeitrechnung haben die Makkabäer sich an die Reiniigung des Tempels gemacht. Sie haben für die Wiederaufnahme des G'ttesdienstes jedoch nur einen Krug mit Öl für einen Tag vorgefunden, und Nachschub war nicht vor acht Tagen zu erwarten. Statt jedoch mit der Einweihung zuzuwarten, verstanden Sie, dass es wichtiger war, so früh wie möglich das Feuer der neu gewonnenen Freiheit, ihren Glauben nach dessen eigenen Regeln zu leben, zu entfachen.
Wenn den Bräuchen etwas gemeinsam ist, dann die Symbolik des zunehmenden Lichtes. Dass beide Traditionen in die Zeit der Wintersonnenwende fallen, kann mit einem menschlichen Bedürfnis zu tun haben, dem jahreszeitlichen Geschehen symbolischen Nachdruck zu verleihen. Als theologische Deutung bietet sich auch das Ende der dunklen Zeit, in der die Ausübung des Lebens nach dem eigenen Glauben unterdrückt wurde (wie in den Makkabäer-Büchern beschrieben) sowie das Hineinführen in eine messianische Zeit (wie Christ_innen sie mit Jesu Geburt und Wirken annehmen).
In diesem Sinne wünschen wir "Chanukkah sameach" (ein fröhliches Chanukkah) und ein gesegnetes Weihnachtsfest
Dr. Willy Weisz Vizepräsident und Ferenc Simon Diözesanbeauftragter für die christlich-jüdische Zusammenarbeit
Am 17. Dezember beginnt die Weihnachtsnovene, die unmittelbare Vorbereitung auf das Christfest. Neun Tage sind es bis zum 25., neun in der Liturgie und im Brauchtum besonders ausgezeichnete Tage. Tag für Tag führt uns die Liturgie nun an das Kommen des Erlösers heran. Wir hören aus dem Alten Testament viel von nicht mehr erwartbaren Kindern und die Vorgeschichte Jesu aus den Evangelien nach Matthäus und Lukas. Auch wenn Jesus als jüdisches Kind vor mehr als 2000 Jahren in Israel geboren wurde, muss er immer wieder neu in unseren Herzen, in unseren Völkern und in der Welt geboren werden. Darum ruft die Kirche nun sieben Mal in Folge in der „O-Antiphon“ zum Magnificat feierlich „Komm!“
- und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht.
- und befreie uns mit deinem starken Arm!
- und errette uns, erhebe dich, säume nicht länger!
- und öffne den Kerker der Finsternis und die Fessel des Todes!
- und erleuchte, die da sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes!
- und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet!
- eile und schaffe uns Hilfe, du unser Herr und unser Gott!
Für christliche Ohren mag es eine Überraschung sein wenn die Sänger zu Chanukkah die Melodie des bekannten Adventsliedes „Tochter Zion“ anstimmen. Händel kannte mehrere Helden. Er hatte das Lied für sein „Joshua“ geschrieben und konnte es noch einmal gut gebrauchen. Als „Judas Maccabaeus“ sich zu seinem erfolgreichsten Oratorium entwickelte, vergrößerte das Werk in nicht geringem Maße die Bekanntheit des jüdischen Freiheitskämpfers in der christlichen Welt. Und die Melodie kommt an Chanukkah noch immer zum Einsatz, als „Hava Narima“.
Am 19. Dezember beginnt heuer das jüdische Fest des Lichts: Chanukkah. Es erinnert an die Reinigung des Tempels in Jerusalem, des jüdischen Zentralheiligtum, von der Besudelung durch den Götzendienst der griechisch-syrischen Besatzungsmacht, gefolgt von der Wiedereinweihung sowie der Wiederaufnahme des G'ttesdienstes. In Erinnerung an die achttägige Feier der Einweihung zünden Juden acht Tage lang jeden Tag ein Licht mehr an der Menorah, dem achtarmigen Leuchter, mit dem zusätzlichen neunten Arm, der ein Feuer trägt, von dem aus die anderen entzündet werden.
Nach dem Sieg gegen die Armeen von Antiochus IV. Epiphanes im Jahr 164 vor der Zeitrechnung haben die Makkabäer sich an die Reiniigung des Tempels gemacht. Sie haben für die Wiederaufnahme des G'ttesdienstes jedoch nur einen Krug mit Öl für einen Tag vorgefunden, und Nachschub war nicht vor acht Tagen zu erwarten. Statt jedoch mit der Einweihung zuzuwarten, verstanden Sie, dass es wichtiger war, so früh wie möglich das Feuer der neu gewonnenen Freiheit, ihren Glauben nach dessen eigenen Regeln zu leben, zu entfachen.
Wenn den Bräuchen etwas gemeinsam ist, dann die Symbolik des zunehmenden Lichtes. Dass beide Traditionen in die Zeit der Wintersonnenwende fallen, kann mit einem menschlichen Bedürfnis zu tun haben, dem jahreszeitlichen Geschehen symbolischen Nachdruck zu verleihen. Als theologische Deutung bietet sich auch das Ende der dunklen Zeit, in der die Ausübung des Lebens nach dem eigenen Glauben unterdrückt wurde (wie in den Makkabäer-Büchern beschrieben) sowie das Hineinführen in eine messianische Zeit (wie Christ_innen sie mit Jesu Geburt und Wirken annehmen).
In diesem Sinne wünschen wir "Chanukkah sameach" (ein fröhliches Chanukkah) und ein gesegnetes Weihnachtsfest
Dr. Willy Weisz Vizepräsident und Ferenc Simon Diözesanbeauftragter für die christlich-jüdische Zusammenarbeit
Theologe: Neue Erkenntnisse zur Trennung von Judentum und Christentum
30/11/22
Wiener Bibelwissenschaftler Tiwald präsentierte Band "Parting of the Ways" über komplexe Trennungsgeschichte und verbindende Wurzeln von Juden und Christen
"Teile unserer Geschichtsbücher müssen umgeschrieben werden": In seltener Einigkeit haben Wissenschaftler - Theologen wie Judaisten - mit dieser Phrase eine Neuerscheinung auf dem theologischen Büchermarkt gewürdigt: das Buch des Wiener Neutestamentlers Prof. Markus Tiwald mit dem etwas sperrigen Titel "Parting of the Ways". Darin zeichnet Tiwald den komplexen und keineswegs geradlinig verlaufenden Prozess der Trennung von Judentum und Christentum nach. Ein Prozess, der "an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablief und nicht einmal durch die christologischen Fixierungen des vierten Jahrhunderts seinen endgültigen Abschluss fand", wie Tiwald bei einer Buchpräsentation am Dienstagabend in Wien betonte. mehr …
"Teile unserer Geschichtsbücher müssen umgeschrieben werden": In seltener Einigkeit haben Wissenschaftler - Theologen wie Judaisten - mit dieser Phrase eine Neuerscheinung auf dem theologischen Büchermarkt gewürdigt: das Buch des Wiener Neutestamentlers Prof. Markus Tiwald mit dem etwas sperrigen Titel "Parting of the Ways". Darin zeichnet Tiwald den komplexen und keineswegs geradlinig verlaufenden Prozess der Trennung von Judentum und Christentum nach. Ein Prozess, der "an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablief und nicht einmal durch die christologischen Fixierungen des vierten Jahrhunderts seinen endgültigen Abschluss fand", wie Tiwald bei einer Buchpräsentation am Dienstagabend in Wien betonte. mehr …
FRÜHJUDENTUM UND BEGINNENDES CHRISTENTUM BUCHPRÄSENTATION
17/11/22
Wann: 29. November 2022 18:30 Uhr
Wo: Buchhandlung Herder
Ablauf:
- Moderation Martin Jäggle (im Namen des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit)
- kurzer Impuls von 15 Minuten: Markus Tiwald mit Dank und Überreichung eines Exemplars an Günter Stemberger
- kurzer Impuls von 15 Minuten von Günter Stemberger
- Podiumsdiskussion von 60 Minuten, moderiert von Martin Jäggle. Am Podium: Günter Stemberger, Gerhard Langer, Markus Öhler, Markus Tiwald
Um Anmeldung wird gebeten: buchhandlung@herder.at
Autor: Markus Tiwald
Titel: Frühjudentum und beginnendes Christentum
ISBN: 9783170420724
Verlag: Kohlhammer
Erscheinungsjahr: 2022
Details zum Buch
Gottesbild und Menschenbild im Judentum
13/04/22
In der Reihe der interreligiösen Kamingesprächen widmet sich der Religionswissenschafter und Judaist Juval Katz-Wilfing der Frage nach Gottes- und Menschenbild im Judentum. Er leitet den jüdisch-christlichen Koordinierungsausschuss in Wien.
Es ist der 9. November. Bereits ist es dunkel geworden. Vor 83 Jahren ereignete sich im ganzen deutschen Reich – auch Österreich gehörte dazu – die Reichspogromnacht. Synagogen und jüdische Häuser wurden zerstört. Juden und Jüdinnen wurden getötet. Aus dem Saal der evangelischen Gemeinde unter der Pauluskirche in Feldkirch dringt Licht. Es haben sich zahlreiche Menschen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Religionen und christlichen Konfessionen versammelt. „Die jüdische Stimme fehlt im Dialog“ betonte Pfr. Margit Leuthold in ihrer Begrüßung zum interreligiösen Kamingespräch. „Um so mehr sind wir froh, dass wir im Rahmen des interreligiösen Kamingespräches zu einem gemeinsamen Lernen mit Texten aus der jüdischen Tradition zum Gottesbild und Menschenbild einladen dürfen“.mehr …
Es ist der 9. November. Bereits ist es dunkel geworden. Vor 83 Jahren ereignete sich im ganzen deutschen Reich – auch Österreich gehörte dazu – die Reichspogromnacht. Synagogen und jüdische Häuser wurden zerstört. Juden und Jüdinnen wurden getötet. Aus dem Saal der evangelischen Gemeinde unter der Pauluskirche in Feldkirch dringt Licht. Es haben sich zahlreiche Menschen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Religionen und christlichen Konfessionen versammelt. „Die jüdische Stimme fehlt im Dialog“ betonte Pfr. Margit Leuthold in ihrer Begrüßung zum interreligiösen Kamingespräch. „Um so mehr sind wir froh, dass wir im Rahmen des interreligiösen Kamingespräches zu einem gemeinsamen Lernen mit Texten aus der jüdischen Tradition zum Gottesbild und Menschenbild einladen dürfen“.mehr …
Der Händedruck – ein Integrationszeichen mit Ablauf
22/06/20
Lange Zeit wurde die Weigerung mancher Muslime, Personen des anderen Geschlechts die Hand zu geben, als Beweis für Integrationsverweigerung propagiert: Es sei tiefst verankerte Tradition in unserem Land, dass jede und jeder jedem bzw. jeder die Hand zum Gruß reicht und dass die Weigerung daher der Nachweis der „ewigen Fremdheit“ sei. Diese Weigerung wurde meist auch als Herabwürdigung der Nicht-Muslime ausgegeben, obwohl die gleichen Regeln auch innerhalb des Islam gelten.
Auch streng ihre Religion praktizierende Juden geben einer Person des anderen Geschlechts nicht die Hand, gleichgültig ob Jüdin/Jude oder nicht. Der Grund hierfür ist die Auffassung, dass der Körperkontakt zwischen den Geschlechtern der Familie vorbehalten bleiben muss. Es zählt also nur das Geschlecht des Gegenübers, nicht sein Glaubensbekenntnis. Als Jude kann und will ich natürlich nicht islamische Traditionen erklären, aber ich nehme an, dass dies der Hintergrund ist.
Aber auch die „Pflicht“ zum Handschlag war und ist so allgemein nicht in unserem Land. Als noch Knigge, Elmayer und Co. in den Schulen am Stundenplan stand, habe ich gelernt, dass Ältere den Jüngeren, Vorgesetzte den Untergebenen und insbesondere Damen den Herren die Hand zum Gruße entgegenstrecken, niemals umgekehrt. Und wenn der Bevorrechtete nicht wollte, so unterblieb diese Form der Begrüßung. Im Zeitalter der Gleichberechtigung der Geschlechter sollte wohl auch Männern gestattet sein, den Händedruck zu verweigern.
Und auf einmal geht es auch anders: Es gehört plötzlich zum guten Ton, nicht die Hand zu geben. Das hätte ich mir eigentlich schon in früheren Jahren zu Zeiten der Grippewelle gewünscht. Damit hätten sicher viele auf das Grippevirus zurückzuführende Erkrankungen bis Todesfälle verhindert werden können – aber da gab es eben noch die bedauerliche Tradition des Hände-Geben-Müssens.
Vielleicht hilft auch ein Nachdenken über den Ursprung dieser „Tradition“; wieso wird Kindern gegenüber so stark betont, doch die „schöne“ (=rechte) Hand zu geben. Die richtige Hand für einen „herzlichen“ Gruß wäre doch die linke, die noch dazu meist sauberer ist, da ja die meisten Menschen in erster Linie die rechte Hand zum Arbeiten nutzen. Die „Verpflichtung“, die rechte Hand zum Gruß entgegenzustrecken, verhinderte, dass der Entgegenkommende den links im Gurt steckenden Dolch oder das Schwert ziehen konnte. Gibt es für darauf aufbauende Traditionen noch Bedarf?
Hoffentlich schafft es das Corona-Virus, dass das potentiell sogar gesundheitsgefährdende Hand-Geben als notwendiger Nachweis der Verbundenheit mit Österreich endgültig begraben wird.
Willy Weisz
Auch streng ihre Religion praktizierende Juden geben einer Person des anderen Geschlechts nicht die Hand, gleichgültig ob Jüdin/Jude oder nicht. Der Grund hierfür ist die Auffassung, dass der Körperkontakt zwischen den Geschlechtern der Familie vorbehalten bleiben muss. Es zählt also nur das Geschlecht des Gegenübers, nicht sein Glaubensbekenntnis. Als Jude kann und will ich natürlich nicht islamische Traditionen erklären, aber ich nehme an, dass dies der Hintergrund ist.
Aber auch die „Pflicht“ zum Handschlag war und ist so allgemein nicht in unserem Land. Als noch Knigge, Elmayer und Co. in den Schulen am Stundenplan stand, habe ich gelernt, dass Ältere den Jüngeren, Vorgesetzte den Untergebenen und insbesondere Damen den Herren die Hand zum Gruße entgegenstrecken, niemals umgekehrt. Und wenn der Bevorrechtete nicht wollte, so unterblieb diese Form der Begrüßung. Im Zeitalter der Gleichberechtigung der Geschlechter sollte wohl auch Männern gestattet sein, den Händedruck zu verweigern.
Und auf einmal geht es auch anders: Es gehört plötzlich zum guten Ton, nicht die Hand zu geben. Das hätte ich mir eigentlich schon in früheren Jahren zu Zeiten der Grippewelle gewünscht. Damit hätten sicher viele auf das Grippevirus zurückzuführende Erkrankungen bis Todesfälle verhindert werden können – aber da gab es eben noch die bedauerliche Tradition des Hände-Geben-Müssens.
Vielleicht hilft auch ein Nachdenken über den Ursprung dieser „Tradition“; wieso wird Kindern gegenüber so stark betont, doch die „schöne“ (=rechte) Hand zu geben. Die richtige Hand für einen „herzlichen“ Gruß wäre doch die linke, die noch dazu meist sauberer ist, da ja die meisten Menschen in erster Linie die rechte Hand zum Arbeiten nutzen. Die „Verpflichtung“, die rechte Hand zum Gruß entgegenzustrecken, verhinderte, dass der Entgegenkommende den links im Gurt steckenden Dolch oder das Schwert ziehen konnte. Gibt es für darauf aufbauende Traditionen noch Bedarf?
Hoffentlich schafft es das Corona-Virus, dass das potentiell sogar gesundheitsgefährdende Hand-Geben als notwendiger Nachweis der Verbundenheit mit Österreich endgültig begraben wird.
Willy Weisz
Improperien
06/07/16
Improperien – Gesang während der Kreuzverehrung
Am Karfreitag können die Improperien (improperium, lat.: Vorwurf, Beschimpfung) während der Kreuzverehrung gesungen werden. Geschichtlich unterstützten sie den Gottesmordvorwurf an die Juden. Im Umfeld der heutigen Liturgie dienen sie der Besinnung und Buße der Gemeinde. Kann man einen belasteten Text – wenn auch unter anderen Vorzeichen – heute fraglos weiter verwenden?mehr …
Am Karfreitag können die Improperien (improperium, lat.: Vorwurf, Beschimpfung) während der Kreuzverehrung gesungen werden. Geschichtlich unterstützten sie den Gottesmordvorwurf an die Juden. Im Umfeld der heutigen Liturgie dienen sie der Besinnung und Buße der Gemeinde. Kann man einen belasteten Text – wenn auch unter anderen Vorzeichen – heute fraglos weiter verwenden?mehr …
DEUTSCHE KASERNE WIRD NACH ÖSTERREICHER BENANNT
22/06/16
DER WIENER „GERECHTE UNTER DEN VÖLKERN“ ANTON SCHMID WIRD NAMENSPATRON EINER BUNDESWEHRKASERNE IN SACHSEN-ANHALT
Der aus Wien stammende, 1939 zur Armee Hitler-Deutschlands eingezogene und dort zum Feldwebel avancierte Anton Schmid war 1967 einer der ersten Österreicher (und der erste Wehrmachtsangehörige überhaupt), der von der israelischen Holocaust-Erinnerungs- und Forschungsstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt und ausgezeichnet wurde. Von rund 18 Mio. Wehrmachtssoldaten war er mutmaßlich der Einzige, der von der hitlerdeutschen Militärjustiz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, weil er Juden zu retten versuchte. Unter (Militär-)Historikern in Deutschland, Litauen und vielen anderen europäischen wie außereuropäischen Ländern gilt Anton Schmid mittlerweile als so etwas wie eine „Ikone des militärischen Rettungswiderstandes“ gegen das NS-Regime.
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Der aus Wien stammende, 1939 zur Armee Hitler-Deutschlands eingezogene und dort zum Feldwebel avancierte Anton Schmid war 1967 einer der ersten Österreicher (und der erste Wehrmachtsangehörige überhaupt), der von der israelischen Holocaust-Erinnerungs- und Forschungsstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt und ausgezeichnet wurde. Von rund 18 Mio. Wehrmachtssoldaten war er mutmaßlich der Einzige, der von der hitlerdeutschen Militärjustiz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, weil er Juden zu retten versuchte. Unter (Militär-)Historikern in Deutschland, Litauen und vielen anderen europäischen wie außereuropäischen Ländern gilt Anton Schmid mittlerweile als so etwas wie eine „Ikone des militärischen Rettungswiderstandes“ gegen das NS-Regime.
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Johannespassion: Ein Spiel mit dem Feuer
19/06/14
Gedanken zur Aufführung der der Johannespassion von Johann Sebastian Bach am 29. März 2014 in der Lutherischen Stadtkirche Wien
Von Markus Himmelbauer
Es ist befremdlich, dass der Kreuzestod Jesu, der uns Christinnen und Christen Heil und Erlösung bedeutet, anderen vielfach Verfolgung und Tod durch uns Christen gebracht hat: dem jüdischen Volk.
Peter von der Osten-Sacken nennt die Aufführung von Bachs Johannespassion „ein Spiel mit dem Feuer". Die Passionserzählungen, insbesondere die Johannespassion, seien eine „antijüdische Waffe". Große Aufregung gab es jüngst, weil eine Lehrerin das Wort „Neger" verwendet hat – neutral als Lautfolge in einer Legasthenieübung. Im Vergleich zur hoch emotionalen Polemik gegen Juden und ihren Glauben nun hier war das harmlos. Und hier geschieht es noch mit der Autorität eines heiligen Texts.
Klarstellungenmehr …
Von Markus Himmelbauer
Es ist befremdlich, dass der Kreuzestod Jesu, der uns Christinnen und Christen Heil und Erlösung bedeutet, anderen vielfach Verfolgung und Tod durch uns Christen gebracht hat: dem jüdischen Volk.
Peter von der Osten-Sacken nennt die Aufführung von Bachs Johannespassion „ein Spiel mit dem Feuer". Die Passionserzählungen, insbesondere die Johannespassion, seien eine „antijüdische Waffe". Große Aufregung gab es jüngst, weil eine Lehrerin das Wort „Neger" verwendet hat – neutral als Lautfolge in einer Legasthenieübung. Im Vergleich zur hoch emotionalen Polemik gegen Juden und ihren Glauben nun hier war das harmlos. Und hier geschieht es noch mit der Autorität eines heiligen Texts.
Klarstellungenmehr …
GOTT LOBEN MIT ISRAEL
20/01/14
Vor seinen Vorträgen in Wien gab der Alttestamentler Frank Crüsemann der Kirchenzeitung der Erzdiözese Wien ein Interview: Wie beten und lesen wir Christinnen und Christen die Psalmen als Gebete Israels und auch als unsere Gebete?
Link zur Kirchenzeitung Der Sonntagmehr …