Hedwig Wahle DAS I.D.C.I.V.
26/01/02 Hedwig Wahle
Entstehen und Wirken des Informationszentrums im Dienst der christlich-jüdischen Verständigung
1. VORGESCHICHTE
1.1. DIE KONGREGATION “UNSERE LIEBE FRAU VON SION“
Das IDCIV ist zwar erst vor 20 Jahren entstanden, seine Wurzeln reichen aber bis vor das Jahre 1938 zurück, in gewissem Sinne noch weiter. Denn einerseits kann man das “Pauluswerk“ von Msgr. Österreicher als den Vorläufer des IDCIV ansehen, anderseits ist aber das Werk, das von der Kongregation “Unserer Lieben Frau von Sion“ ins Leben gerufen wurde, eng mit der Entwicklung dieser Kongregation verbunden.
Die Kongregation “Unsere Liebe Frau von Sion“ wurde 1843 von Theodor Ratisbonne gegründet. Theodor Ratisbonne wurde 1802 als Sohn einer weitgehend assimilierten deutsch-jüdischen Familie in Strassburg geboren. 1827 ließ er sich taufen und 1830 wurde er zum katholischen Priester geweiht und wollte sein Leben dem Heil seiner jüdischen Brüder widmen.
Am 20. Jänner 1842, während er in Rom weilte, empfing sein jüngster Bruder Alfons plötzlich durch Maria die Gnade des christlichen Glaubens. Im Lichte von Gottes Wort erkannte Theodor die Bedeutung dieses Ereignisses und, von seinem Bruder angespornt, sah er den Zeitpunkt gekommen, dem bereits gehörten Ruf Folge zu leisten: innerhalb der Kirche Zeugnis abzulegen von der Treue Gottes zu seiner Liebe für das jüdische Volk und “die Erfüllung der Verheißungen zu beschleunigen“, die sich auf das Schicksal des jüdischen Volkes beziehen. In Paris gründete er ein Werk, im Einklang mit dem Denken der Kirche der damaligen Zeit, um junge jüdische Mädchen, die ihm von deren Eltern anvertraut waren, zu erziehen. Daraus entstand unsere Kongregation.
Gemäss dem theologischen Verständnis seiner Zeit hatte “die Mitarbeit an der Erfüllung der Verheißungen in Bezug auf das Schicksal des jüdischen Volkes“ nur eine einzige Bedeutung für Pater Theodor: die Aufnahme der Juden in die Kirche, ihre Taufe. Um dies zu realisieren, verlangte er von den Schwestern die “Aufopferung ihrer Gebete, Arbeit und Opfer für das Volk Israel“, obwohl sie gleichzeitig jegliche Bekehrungsversuche zu vermeiden hatten.
Dieses Anliegen des Gründers wurde nicht nur von den Schwestern und später auch den Patres weitergeführt, sondern es wurde überdies 1903 eine “Gebetsbruderschaft“ gegründet, um sowohl Priester als auch Laien für dieses Gebetsanliegen zu gewinnen. Die “Gebetsbruderschaft für Israel“, wie sie genannt wurde, wurde von Pius X. am 24.August 1909 zur Erzbruderschaft erhoben und am 3. Feber 1926 gewährte Pius XI. allen Priester-Mitgliedern einen vollkommenen Ablass, sooft sie das HI. Messopfer für Israel darbringen.
Die Gebetsbruderschaft könnte man als eine der Wurzeln des IDCIV ansehen auf jeden Fall in den Jahren nach dem Krieg. Darüber aber später mehr. In den Jahren vor 1938 war es ein Anliegen der Kongregation, Juden, die sich taufen lassen wollten, im katholischen Glauben zu unterrichten und Tauffeiern in der Kapelle des Hauses zu organisieren. Bis zum Anschluss kamen immer mehr Leute zur Taufe, sodass schließlich jede Woche Taufen im Hause stattfanden, die meistens von P. Bichlmair S.J. gespendet wurden. Im Laufe der Jahre entstanden in den verschiedenen Ländern Nachrichtenblätter für die Mitglieder des Gebetsapostolats: 1917 in London der “Guild of Israel“ und 1922 in Paris das “Bulletin pour Israel“.
1.2. MSGR. ÖSTERREICHER UND DAS PAULUSWERK
Johannes Österreicher wurde im mährischen Liebau als Sohn eines jüdischen Tierarztes geboren. Er wollte ursprünglich ebenfalls Medizin studieren. Nach inneren Kämpfen fand er zur katholischen Kirche und wurde am 17. Juli 1927 zum Priester geweiht. Seine Primiz feierte er in der Sionskapelle in Wien. Ende 1933 oder Anfang 1934 gründete er, der damals Kaplan in Ottakring war, das “Pauluswerk“, um für die Bekehrung der Juden zu beten und den getauften Juden eine Gemeinschaft anzubieten.
Am 25. Jänner 1934 wandte er sich gemeinsam mit dem Jesuiten P. Bichlmair an unsere Schwestern mit der Bitte, sich an der Zeitschrift die “Erfüllung“, die Österreicher plante, mitzuwirken. Die Zeitschrift sollte sich vor allem an jüdische Konvertiten wenden aber auch an jene Katholiken, die sich für die jüdische Frage interessierten. Es sollte in etwa den Nachrichtenblättern für die Gebetsbruderschaft entsprechen. Das Angebot kam einerseits für die Schwestern gerade recht, da sie einen Redaktor für ihr Nachrichtenblatt suchten, anderseits hatten sie Angst, dass sie dann nicht mehr ihre eigene Linie verfolgen könnten. Es dürfte schließlich zu keiner Zusammenarbeit auf diesem Gebiet gekommen sein, die Zusammenkünfte des Pauluswerkes fanden jedoch meistens im Sionskloster statt.
“Die Erfüllung“ erschien zum ersten Mal am 17. Juli 1934 mit einem Vorwort von Kardinal Innitzer, der u. a. schreibt:
“'Die Erfüllung' will in dieser wirren und trüben Zeit eine Stimme des Geistes und der Wahrheit sein. Ihr Ziel ist, die „religiöse“ Schau des jüdischen Seins Juden und Christen zu vermitteln. So ist sie berufen, Mauern niederzulegen, die Menschen durch Unwissenheit und Zwietracht, durch Irrtum und Schuld voreinander aufgerichtet haben.“
Im Vorspruch zu diesem Heft schreibt Österreicher:
“Unsere Zeitschrift ... will einer Begegnung der Juden mit dem Geiste Jesu Christi und einer Begegnung der Christen mit der Sendung Israels dienen. Letztlich: der Erfüllung der Bitte Christi, die das Anliegen des wahren Menschen ist: 'Dass alle eins seien!'... 'Die Erfüllung' will das verborgene Sein des Judentums ans Licht bringen. Sie wird von der göttlichen Wahrheit und menschlichen Erhabenheit der Bibel sprechen; von Weisheit im Talmud und von chassidischer Frömmigkeit. Sie wird den großen Anteil auch des heutigen Judentums am modernen Geistesleben prüfen... Aus dieser Einsicht, 'dass der Mensch, der nicht mehr als nur den Menschen will, nicht einmal das Menschliche erfüllt' (Joseph Bernhart), spricht 'Die Erfüllung' von Christus, den Gottmenschen.“
Im dritten Heft des Jahrgangs 1936 bezeichnet der Bischof von Olmütz in einem Grußwort den Zweck der Zeitschrift als, für die Bekehrung der Juden zu beten. “Es füllt daher die Zeitschrift 'Die Erfüllung' und ebenso auch das Pauluswerk eine recht fühlbare Lücke aus, wenn sie uns auffordert, für das Heil Israels zu beten.“
Im ersten Heft des Jahrgangs 1937 werden die Vorträge einer Vortragsreihe des Pauluswerks über die Judenfrage veröffentlicht. Diese Vorträge wurden im Sionskloster gehalten. Insgesamt erschien die Zeitschrift zweimonatlich von 1934 bis 1938.
Nach dem Anschluss ging Österreicher in die Emigration und auch die Sionsschwestern verließen Wien. Damit hörte die Arbeit des Pauluswerkes auf. Kurz darauf kamen zwar einige Schwestern wieder nach Wien zurück, sie lebten aber in einem Privathaus in Grinzing und hatten keine Möglichkeit, diese Arbeit fort zu setzen.
1.3. GEBETSAPOSTOLAT, PAULUSWERK UND LEGIO MARIENS
Im Jahre 1946 kamen die Schwestern aus Grinzing wieder in das Haus in der Burggasse zurück. Auch einige Schwestern, die die Kriegsjahre in anderen Ländern verbracht hatten, kamen nach Wien zurück, um die Werke der Sionsschwestern neu aufzubauen. Es wurde zunächst ein Kindergarten eröffnet, später dann eine Volksschule, die mit Hauptschule und Handelsakademie fortgeführt wurde. Es war ein kleiner Anfang der jedes Jahr wuchs.
Schon 1946 wurde das “Gebetsapostolat für Israel“ wieder ins Leben gerufen. Priester und Laien wurden angeschrieben mit der Bitte, sich dem Gebet der Schwestern anzuschließen. Im Haus wurde der 4. Sonntag jedes Monats in besonderer Weise dem “Gebet für Israel“ gewidmet. Nach der Gemeinschaftsmesse der Schwestern wurde das Allerheiligste bis zum Abend ausgesetzt und den ganzen Tag über beteten Schwestern in der Kapelle.
Spätestens seit 1950 wurden die Mitglieder des Gebetsapostolats eingeladen, sich am 4. Sonntag des Monats in Sion zu treffen. Zunächst war es der Jesuitenpater Bichlmair, der die Messe mit Predigt feierte und die Gruppe nachher bei Frühstück und Gespräch betreute. P. Bichlmair hatte sich schon vor dem Krieg der Taufbewerber in der Burggasse angenommen. Nach dem Anschluss übernahm er mit Einverständnis und Unterstützung durch Kardinal Innitzer in besonderer Weise die Sorge für die bedrängten nichtarischen Katholiken Wiens. Im November 1939 wurde P. Bichlmair verhaftet und Anfang 1940 nach Oberschlesien verbannt. Ende 1940 wurde aus dem von P. Bichlmair begonnen Werk “Der Stall“, die von Kardinal Innitzer gegründete “Erzbischöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“. Mit der Leitung betraute der Kardinal P. Ludger Born aus dem Jesuitenorden. Ab April 1950 übernahm P. Portenschlag die monatliche Messfeier mit Predigt für die Mitglieder des Gebetsapostolats. Nach der Messe traf man sich regelmäßig zu einem Frühstück bei dem es entweder zu einem Austausch kam oder aber es wurden Texte vorgelesen, die die Mitglieder interessieren könnten.
Schon im Oktober 1950 machten sich die Schwestern darüber Gedanken, das “Pauluswerk“ wieder ins Leben zu rufen. Es dauerte jedoch noch über ein Jahr, bis sich dieser Wunsch realisieren ließ. Während dieser Zeit kam Msgr. Mauer mehrmals in die Burggasse um einen Abendvortrag für etwa 60 Personen zu halten. In einem der Vorträge behandelte er den Römerbrief, in einem anderen sprach er über “Natur und Gnade nach dem Römer– und dem Galaterbrief“.
Am Samstag den 12. Jänner 1952 fand ein biblischer Vortrag für die Mitglieder des Pauluswerkes statt und man beschloss, dies zu einer Institution zu machen: sich jeden Samstag für einen solchen Vortrag zu treffen. Dieser Vorsatz dürfte auch während einiger Monate durchgehalten worden sein.
Während dieser Zeitspanne gab es auch Vorträge für die Mitglieder des Gebetsapostolats. So sprach einmal Prof. Schedl über “Advent im Alten Testament“. Ein andermal sprach Dr. Lichtenstein über den Katholizismus in der Schweiz im Kanton Zürich.
Die Mitglieder des Gebetsapostolats trafen sich auch weiter zur Monatsmesse am 4. Sonntag. Überdies beschlossen sie im Oktober 1950, sich jeden 2. Dienstag des Monats für eine Heilige Stunde am Abend in Sion zu treffen. Bis zum Sommer 1951 gab es tatsächlich entweder eine Gebetsstunde oder eine Abendmesse einmal im Monat – ab Jänner jeweils am Mittwoch.
Das Nebeneinander von Gebetsapostolat und Pauluswerk nahm schließlich ein Ende mit der offiziellen Errichtung des Pauluswerkes als “Unio pia“ am Freitag, den 25. Jänner 1952. Kardinal Innitzer kam ins Sionskloster um eine Abendmesse mit den Mitgliedern des neuen Vereins zu feiern und nachher über eine Tasse Tee im Sprechzimmer noch zwanglos mit ihnen zu reden. Sr. Carolina, die vom Anfang an das Pauluswerk begleitete und auch schon für das Gebetsapostolat zuständig war, stellte die Mitglieder dem Kardinal vor.
Geistlicher Leiter des Pauluswerkes bis Frühjahr 1953 war P. Portenschlag. In den darauffolgenden zwei Jahren gab es keinen fixen Leiter. Erst im Herbst 1955 wurde wieder ein Priester, Msgr. Gianone, offiziell mit der Leitung des Pauluswerkes betraut.
Seit der Gründung des Pauluswerkes wurden die monatlichen Messen für das Gebetsapostolat gemeinsam mit dem Pauluswerk gefeiert. Von diesem Zeitpunkt an verwischen sich die Grenzen zwischen Gebetsapostolat und Pauluswerk. Nach der Messfeier gab es immer ein Frühstück mit geselliger Aussprache, manchmal auch ein Vortrag.
Im Jänner 1955 wurde den Schwestern der Vorschlag unterbreitet, ein Präsidium der Legio Mariens in unserem Haus zu errichten, welches mit dem Pauluswerk zusammenarbeiten könnte. Es dauerte noch über ein halbes Jahr, bis sich das Projekt konkretisieren konnte. Im Oktober wurde dann die erste Versammlung der Legio mit einem Vortrag abgehalten. Eine kleine Gruppe von vier Personen erklärte sich bereit in einem Präsidium “Notre Dame de Sion“ mitzuarbeiten. P. Geis SVD, Kaplan der Pfarre St. Ulrich, erklärte sich bereit, die Leitung zu übernehmen. Als Schwester war zunächst Sr. Carolina mit der Legio betraut, später dann Sr. Lisbetha.
Mit der Gründung der Legio Mariens änderte sich auch die Ausrichtung des Pauluswerkes. Die Legionäre übernahmen praktisch – zusammen mit Sr. Lisbetha – die Leitung. Die Vorträge nach der Sonntagsmesse wurden oft von einer Legionärin gehalten. Oft war es auch P. Geis, der den Vortrag hielt, meistens im Sinne einer Stärkung im Glauben.
Auf einen Artikel von Sr. Lisbetha 1960 im “Grossen Entschluss“ über das Verhältnis zwischen Juden und Christen reagierte Dkfm. Otto Herz und schrieb Sr. Lisbetha einen sehr herzlichen Dankesbrief. Dies führte zu einer engen Zusammenarbeit mit Dkfm. Herz und mehr noch zu einer wahren Freundschaft zwischen ihm und der Schwesterngemeinschaft. Im Mai 1964 sprach dann Otto Herz zu den Mitgliedern des Pauluswerkes zum Thema: “Dialog zwischen Juden und Christen heute“.
Man könnte diesen Vortrag als den Anfang einer Neuorientierung des Pauluswerkes ansehen, obwohl es noch zwei Jahre dauerte bis es möglich war, die Wende wirklich zu vollziehen. Im September 1966 machte Sr. Lisbetha den Vorschlag, dass ich das Pauluswerk übernehmen sollte. Es war dies fast ein Jahr nach der Promulgation der Konzilserklärung “Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den Nichtchristlichen Religionen, insbesondere zu den Juden.
Schon 1961 hatte die damalige Generalassistentin Sr. Colette, den Vorschlag gemacht, dass jede Provinz eine Schwester nach Paris schicken sollte, um dort für das Gespräch zwischen Juden und Christen ausgebildet zu werden. Für Wien fiel die Wahl auf mich. So verbrachte ich die Jahre 1962 bis 1964 in Paris und begann dort Hebräisch zu lernen und Judaica zu lesen. Bei meiner Rückkehr nach Wien inskribierte ich Judaistik an der Wiener Universität. Dadurch lernte ich eine Reihe von Persönlichkeiten kennen, die sich für das christlich-jüdische Gespräch interessierten und auch bereit waren uns einschlägige Vorträge zu halten.
2. ENTSTEHUNG
2.1. DAS ZWEITE VATIKANISCHE KONZIL
In der öffentlichen Sitzung des Konzils am 28. Oktober 1965 wurde die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen promulgiert. Die ganze Erklärung – und insbesondere der vierte Absatz über das Verhältnis der Kirche zum Judentum – hatte eine lange bewegte Geschichte, auf die es nicht möglich ist hier einzugehen. Gerade wegen dieser Schwierigkeiten schien es jenen Bischöfen und Konzilstheologen, die schon in ihren jeweiligen Ländern für eine Verständigung zwischen Juden und Christen arbeiteten, notwendig, sich mit den promulgierten Text nicht zufrieden zu geben. Sie überlegten, wie man das Konzilsdokument in bezug auf seine Aussagen zum Verhältnis zwischen Juden und Christen in die konkrete Tat umsetzen könne. Sie waren sich überdies der Notwendigkeit bewusst, weiterhin informiert zu bleiben, um eine Gesamtschau der jüdisch-christlichen Zusammenarbeit zu erhalten. Dazu brauchten sie Informationen: über die wichtigsten Ereignisse auf dem Gebiet der jüdisch-christlichen Verständigung in den verschiedenen Ländern, über die Reaktionen auf die Konzilserklärung, über die Schwierigkeiten, die auftauchen würden, über die neuen Möglichkeiten sowie über die Entwicklung dieser Frage in den anderen christlichen Kirchen und im Judentum.
Schon während der Konzilsberatungen hatte die Gruppe Kontakt mit den Schwestern “Unserer Lieben Frau von Sion“ in Rom auf genommen, da man wusste, dass sie von ihrem Ordensziel her sich für die Förderung der Verständigung zwischen Juden und Christen einsetzten. Als es nun darum ging, ein internationales Dokumentationszentrum zu errichten, wandten sie sich erneut an die Schwestern, die mit ihrer Zusage nicht zögerten.
In kürzester Zeit wurde ein Raum im Generalat in Rom zur Verfügung gestellt und entsprechend eingerichtet. Das SIDIC = “Service international de documentation judeo-chrétienne“ war geboren. Um die nötigen Nachrichten aus aller Welt zu erhalten, wurden die Schwestern in den verschiedenen Ländern sowie einige Freunde gebeten, Informationen nach Rom zu schicken. Aus diesem Material entstand dann im Feber 1967 die erste Nummer der Zeitschrift SIDIC, die heute dreimal im Jahr in einer Englischen und einer Französischen Ausgabe erscheint.
Schon vor der Promulgierung der Konzilserklärung “Nostra Aetate“ hatte die Kongregation bei ihren Generalkapiteln von 1957 und vor allem von 1963 das Ordensziel und seine Verwirklichung im Lichte der Zeit und im Sinne des Gründers neu überdacht. Es wurde dabei deutlich, dass “die Mitarbeit an der Erfüllung der Verheißungen in Bezug auf das Schicksal des jüdischen Volkes“ heute nicht darin bestehen kann, Juden zum Katholizismus “bekehren“ zu wollen, vielmehr formulieren unsere neuen Konstitutionen aus dem Jahr 1984:
“Wir sind berufen, durch unser Leben Zeugnis zu geben von der Treue, mit der Gott das jüdische Volk liebt, und von seiner Treue zu den Verheißungen, die er den Patriarchen und Propheten Israels für die ganze Menschheit geoffenbart hat. In Christus ist uns das Unterpfand ihrer Erfüllung gegeben. Diese Berufung besagt, dass unser apostolisches Leben von einem dreifachen Engagement bestimmt ist: für die Kirche, für das jüdische Volk und für eine Welt der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe.“
Diese Neuorientierung bedeutete konkret, dass die Schwestern aller Länder dazu aufgefordert wurden, entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Landes, sich darum zu bemühen einerseits das Judentum selber kennen zu lernen, dann aber auch dieses Wissen vom Judentum an andere Christen, vor allem an “Multiplikatoren“ weiterzugeben. Ein Schritt in dieser Richtung war der Versuch eines “Arbeitskreises: Christentum und Judentum“ der ab Jänner 1966 für Jugendliche lief. Man traf sich einmal im Monat in der Burggasse, wobei jeweils ein anderer Jugendlicher ein Referat hielt. Die ersten Themen waren: Die Juden in der christlichen Verkündigung – Der Antisemitismus – Der Staat Israel – Heutige Bestrebungen zum christlich-jüdischen Gespräch. Im Arbeitsjahr 1966/67 konnte sich der Arbeitskreis weiterhin monatlich treffen, dann aber hörte er wieder auf, da die Jugendlichen nicht genügend Zeit hatten, um sich dafür zu engagieren.
Der neue Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils ging auch an dem Pauluswerk nicht spurlos vorüber. Ab Herbst 1966 lag der Schwerpunkt der Zusammenkünfte nicht mehr in einer Unterweisung im christlichen Glauben, sondern vielmehr in einer Vermittlung von Kenntnissen über das Judentum sowie über das Verhältnis zwischen Juden und Christen. Die Versammlungen wurden allmählich von Sonntagvormittag auf Montagabend verlegt und kompetente Referenten zu Vorträgen eingeladen. Von Feber bis Juni 1967 waren die Referenten jeweils Juden, die über verschiedene Themen sprachen. Ein besonderes Ereignis war der Vortrag im Mai 1967 von Oberrabbiner Eisenberg zum Thema “Der jüdische Glaube“.
Bis zum Herbst 1967 hatte sich die Neuordnung durchgesetzt. Für das Arbeitsjahr 1967/68 waren nur mehr Abendveranstaltungen vorgesehen, mit Ausnahme vom Dezember-Treffen, das weiterhin an einem Sonntagvormittag blieb mit einem geselligen Zusammentreffen nach der Messe. Referenten waren nun sowohl Christen - katholische und evangelische - als auch Juden. In der Aussendung wurde das Pauluswerk nicht mehr erwähnt. Dadurch wurde der nächste Schritt der Entwicklung vorbereitet.
2.2. DAS IDCIV = INFORMATIONSZENTRUM IM DIENSTE DER CHRISTLICH-JÜDISCHEN VERSTÄNDIGUNG
So wurde im Jänner 1967 der Beschluss gefasst, ein Informationszentrum zu eröffnen und dafür Bücher zu kaufen und einen Raum einzurichten. Ich bekam von meiner Oberin den Auftrag, eine Bücherliste zusammenzustellen und Bücher und einige Möbel zu kaufen. In nur wenigen Monaten entstand ebenerdig, in der Nähe der Pforte, ein kleines aber recht gemütliches Informationszentrum mit circa 300 Büchern, eine Reihe von Zeitschriften und einige Schallplatten.
Am 16. Oktober 1967, anlässlich des ersten Vortrags des Pauluswerks wurde das Informationszentrum feierlich eröffnet. Den Vortrag hielt Clemens Thoma zum Thema: “Ansatzpunkte für das christlich-jüdische Gespräch“.
In einer Pressemeldung der Wiener Kirchenzeitung vom 5. November 1967 heißt es:
“In diesem mit Bildern, Landkarten und Kultgegenständen ausgestatteten Raum befindet sich auch eine Bibliothek, die allen am christlich-jüdischen Gespräch und der Bekämpfung des Antisemitismus Interessierten zur Verfügung steht. Der Raum selbst ist für Vorträge, informative Aussprachen und Tagungen gedacht; besonders sollen hier Lehrpersonen, Erzieher und andere, die mit der Jugend befasst sind, die Möglichkeit haben, sich mit dem Gedankengut des Judentums vertraut zu machen und die für ihre Arbeit nötigen Informationen auf diesem Gebiet zu erhalten. Die im Dezember in Wien stattfindende Tagung des Internationalen Konsultativkomitees der Organisationen für christlich-jüdische Zusammenarbeit wird gleichfalls im Haus der Schwesternschaft abgehalten.“
In Anlehnung an SIDIC in Rom wurde als Titel des Informationszentrums IDCIV = Informationszentrum im Dienste der christlich-jüdischen Verständigung gewählt. Auf Grund unserer beschränkten Möglichkeiten wollten wir in Wien bescheidener sein. Wir beschlossen daher, kein Dokumentationszentrum, sondern nur ein Informationszentrum zu errichten, mit dem Zweck, Informationen zu sammeln und an SIDIC weiterzuleiten. Die beiden christlich-jüdischen Organisationen in Wien: der “Koordinierungsausschuss für christlich- jüdische Zusammenarbeit“ und die “Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich“, begrüßten das Vorhaben und unterstützten es kräftig. In den nächsten zwei Jahren fanden die meisten Vorstandssitzungen der Aktion im IDCIV statt. So sollte unser Informationszentrum in Ergänzung des Instituts für Judaistik der Universität Wien in der Verbreitung des Gedankenguts des Judentums und der christlich-jüdischen Verständigung wirken.
Die Bilanz des ersten Jahres war erfreulich. In einem Brief an die Mitglieder des Pauluswerkes schrieb ich daher im Herbst 1968:
“Es kamen einige Besucher und immer wieder interessierten sie sich für das Vortragsprogramm des Pauluswerkes. Wir hoffen, dass im Laufe der Jahre unser Informationszentrum noch weiteren Kreisen bekannt wird und wir dadurch auch neue Besucher der Vorträge erhalten. Es scheint uns aber schwierig, einerseits von einem Informationszentrum zu sprechen und andererseits wieder vom Pauluswerk. Die Leute werden dadurch verwirrt. Diese Verwirrung wird vergrößert durch die Existenz der 'Paulusgesellschaft' – für den Dialog mit den Atheisten. Wir haben uns daher entschlossen, dass Programm des Pauluswerkes als Programm des Informationszentrums zu verbreiten. Am Pauluswerk hat sich dadurch gar nichts geändert. Die Titeländerung des Programms erleichtert aber die Werbung neuer Mitglieder. Es kommt uns doch alle nur darauf an, dass möglichst viele Menschen zu einem echten Gespräch zwischen Juden und Christen geführt werden.“
2.3. WEITERE ENTWICKLUNG DES IDCIV
Im Herbst 1969 begannen drei Sionsschwestern eine kleine Gemeinschaft im 2. Wiener Gemeindebezirk. Wir wohnten in einer Wohnung und jede ging ihrer Arbeit nach, sei es in der Pfarre, sei es in der Schule. Eine der Hauptziele der neuen Niederlassung war es, unser Anliegen der christlich-jüdischen Verständigung nicht nur in der Burggasse zu verbreiten sondern auch in anderen Teilen Wiens, insbesondere im 2. Bezirk, in dem die Bewohner vor 1938 mit einer blühenden jüdischen Gemeinde zusammenlebten.
Das Informationszentrum übersiedelte daher in die Praterstrasse, während die monatlichen Zusammenkünfte weiterhin in der Burggasse stattfanden. Wir begannen überdies mit Vortragsabenden in der kleinen Wohnung in der Praterstrasse. Als die Gemeinschaft zwei Jahre später auf den Lassingleithnerplatz übersiedelte, wurden die Runden dort fortgesetzt. Der Arbeit im 2. Bezirk war aber keine Dauer beschieden, obwohl diese Jahre eine Reihe von fruchtbaren Kontakten brachte.
Auf Grund von wiederholten Anfragen wurde es allmählich deutlich, dass die monatlich stattfindenden Vorträge in der Burggasse auch die Mitglieder des Koordinierungsausschusses interessierten. Zu Beginn des Jahres 1971 beschloss man daher, die Adressenkartei beider Organisationen zu vereinigen, um das Angebot allen Interessierten zugänglich zu machen. Ein weiterer Schritt in der Zusammenarbeit der beiden Organisationen erfolgte erst mehr als 10 Jahre später, als ab Herbst 1983 der Koordinierungsausschuss als Mitveranstalter der Vorträge in der Burggasse zeichnete. Seither ist es uns möglich – wenigstens fallweise – auch Referenten aus dem Ausland für Vorträge einzuladen. Dies geschah insbesondere zur Feier des 20. Jahrestages der Promulgation der Konzilserklärung Nostra Aetate am 28. November 1985.
Als wir im Herbst 1975 unser Schulhaus der Erzdiözese Wien übergaben und die Religionspädagogische Akademie einzog, beschlossen wir das IDCIV wieder in die Burggasse zurückzubringen, um den zukünftigen Religionslehrern die Möglichkeit zu geben, unsere Bibliothek und audio-visuelle Medien kennen zu lernen. Seither befindet sich das Informationszentrum in dem großen Raum im 1. Stock, wo wir uns auch nach den monatlichen Vorträgen bei einer Tasse Tee zusammensetzen.
3. DAS WIRKEN DES IDCIV
3.1. VORTRÄGE, BESINNUNGSSTUNDE, AUSSTELLUNGEN
Wie schon erwähnt, bestand die Haupttätigkeit des IDCIV von Anfang an in den monatlichen Vorträgen. Es war unser Bemühen, die Referenten möglichst interkonfessionell auszuwählen und eine Vielzahl von Themen und Interessensgebieten zur Sprache zu bringen. So standen neben religiösen Themen auch historische, literarische und künstlerische auf dem Programm.
Am 15. Mai 1973 machten wir den Versuch einer gemeinsamen christlich-jüdischen Gebetsstunde. Wir nannten es: Interkonfessionelle Feierstunde zum Thema des Exodus. Nur mit größter Mühe gelang es uns, die Feierstunde zustande zu bringen. Wir hatten den Eindruck, der Versuch sei für Wiener Verhältnisse verfrüht.
Ein Jahr später, im Mai 1974, fand jedoch eine interkonfessionelle Gedenkstunde für die Opfer des Attentats auf die Kinder in Maaloth bei Qiriat Sch'mone in unserem Festsaal statt. Es war ein trauriger Anlass, der Vertreter von mindestens fünf Religionsgemeinschaften zu einem gemeinsam Gebet vereinigte.
Im März 1977 stellte Ernst Degasperi seinen Zyklus: “Das Wort – Die vier großen Propheten“ in den Räumen des IDCIV aus. Der Erfolg dieser Ausstellung gab uns den Mut, anlässlich des Katholikentags 1983 eine weitere Ausstellung gemeinsam mit den Koordinierungsausschuss vorzubereiten. Die Ausstellung: “Unterwegs zum Reich Gottes – Hoffnung für Juden und Christen“ wurde am 6. September 1983 vor ca. 60 Gästen eröffnet. Rabbiner Eisenberg, Präsident Hacker und Msgr. Paukowitsch begrüßten die Anwesenden und betonten die Notwendigkeit besserer christlich-jüdischer Beziehungen. Ich führte sodann durch die Ausstellung, zu der es auch einen kleinen schriftlichen Führer gab.
Seit 1965 war es das Bestreben der Kongregation, in jedem Land kleine “Christlich-jüdische Zentren“ zu errichten, deren Aufgabe zunächst darin bestand, SIDIC in Rom mit Informationen über die wichtigsten Ereignisse auf dem Gebiet der christlich-jüdischen Verständigung in ihren Ländern zu beliefern. Für Wien wurde ich gebeten diese Informationen weiterzugeben. Gleichzeitig wurde man sich jedoch immer mehr bewusst, dass es auch nötig wäre, mehr für die Aufklärung über das Judentum im eigenen Land zu tun.
Im Rahmen der Katholikentagsveranstaltungen war für den 10. September ein Jugendforum zum Thema der Ausstellung angeboten. Die Veranstaltung begann mit einer Führung durch die Ausstellung, bei der 25 Personen anwesend waren, davon blieben 15 zur anschließenden Diskussion.
Um auch Schulklassen die Möglichkeit zu geben, die Ausstellung zu besichtigen, ließen wir sie bis Ende Oktober hängen. Es kamen auch einige Lehrer mit ihren Klassen. Insgesamt war die Ausstellung recht gut besucht. Auf Anregung von Prof. Korherr habe ich sie später photographiert und die so entstandene Dia-Reihe mehrmals ausgeliehen.
3.2. SYNAGOGENBESUCH, JUDAISTISCHE STUDIENREISEN
Anliegen des IDCIV war und ist es, nicht nur theoretische Kenntnisse über das Judentum zu vermitteln, sondern soweit als möglich auch lebendige Begegnungen. Dies geschieht einerseits durch unsere jüdischen Referenten. Eine weitere Möglichkeit ist der Besuch der Synagoge in der Seitenstettengasse in Wien. Schon im November 1973 hatten wir eine Führung in der Synagoge. Ein noch engerer Kontakt entsteht jedoch durch die Teilnahme an einem Gottesdienst. Dies ermöglichten wir 10 Jahre später, im Dezember 1983, wobei ich vorher einen Einführungsvortrag über das Synagogale Gebet gehalten hatte. Eine weitere unvergessliche Begegnung war der Besuch im Dezember 1982 bei Kommerzialrat Berger, der uns in herzlichster Weise empfing und mit großer Begeisterung durch seine Sammlung führte.
Unsere Reisen haben ebenfalls das Ziel, eine bessere Kenntnis vom Judentum zu vermitteln. Israel-Reisen sind dazu besonders geeignet. Unsere 1. Israel-Reise – gemeinsam mit dem Katholischen Bibelwerk Klosterneuburg – war in den Weihnachtsferien 1976/77. Genau 10 Jahre später wiederholten wir unser Angebot. Die Teilnehmer der letzten Reise baten um eine Fortsetzung, die wir hoffentlich zu Weihnachten 1989/90 werden anbieten können. Schwerpunkt unserer Reisen ist die Begegnung mit den Menschen im Lande: Juden, Christen und Araber.
Angeregt durch die Begeisterung von P. Dr. Bernard Springer für Familienwappen und religiöse Symbole auf jüdischen Grabsteinen in Venedig, beschlossen wir im Frühjahr 1983 eine judaistische Studienreise nach Padua und Venedig zu organisieren. P. Bernard übernahm die Führungen und sorgte für die Beherbergung im Haus der Minoriten in Padua. Die Reise wurde ein voller Erfolg.
So entstand der Gedanke, neben den Israel-Reisen etwa alle zwei Jahre auch Reisen in andere Länder zu organisieren. In den Pfingstferien 1985 machten wir eine Busreise nach Prag und Theresienstadt. Für das Wochenende vom 1. November 1988 planen wir eine Ungarnreise. Auf weitere Sicht ist auch eine Spanienreise geplant, doch liegt der Zeitpunkt noch in den Sternen.
3.3. BIBLIOTHEK UND AUDIO-VISUELLE MEDIEN
Beim Einkauf der ersten Bücher für die Bibliothek im Jahre 1967 bemühten wir uns, Werke auszuwählen, die Lehrern der verschiedensten Disziplinen und anderen interessierten Personen, die jedoch nicht wissenschaftliche Werke über das Judentum suchten, nützlich sein könnten. Wir verzichteten auf kostspielige Werke wie z.B. Talmudausgaben in der Originalsprache, da diese im Institut für Judaistik eingesehen werden können. In den 20 Jahren seit dem Bestehen des IDCIV ist nun der Bücherbestand auf fast 1500 angewachsen.
Wir abbonierten auch vom Anfang an eine kleine Auswahl von Zeitungen und Zeitschriften vor allem in deutscher Sprache. Ein besonders wertvoller Zeitschriftenbestand sind die Freiburger Rundbriefe, die wir von der l. Nummer an vollständig haben. Im Laufe der Zeit sind auch Einzelnummern von Zeitschriften dazu gekommen, so z.B. vom “Entschluss“, der immer wieder christlich-jüdische Themen behandelt, oder auch “Bibel und Liturgie“. Insgesamt haben wir Exemplare von über 100 Zeitschriften.
Bei Gründung des IDCIV waren schon einige Schallplatten von religiösen Gesängen und Volkstänzen vorhanden sowie die dreiteilige Tonbildschau “Judaica“ über das religiöse Leben der Juden. Inzwischen sind die Schallplatten auf 20 angewachsen plus 15 Tonkassetten. An Diapositive sind heute etwa 2000 Stück vorhanden. Ein Grossteil sind Dias von Israel. Einige davon haben wir kopiert und daraus Reihen zu bestimmten Themen zusammengestellt. Unser Traum seit Jahren ist es, zu den Diareihen nicht nur schriftliche Kommentare zu erstellen, sondern Tonkassetten mit Wort und Musik. Aber auch so werden die Diareihen gerne ausgeliehen vor allem für Schulklassen, manchmal aber auch für Pfarrrunden und andere Veranstaltungen.
Sehr beliebt für den Religionsunterricht sind die jüdischen Kultgegenstände, von denen wir circa 20 haben. Einige Lehrer kommen regelmäßig jedes Jahr, um sich die Gegenstände auszuleihen. Pessachteller und Pessachhaggada haben wir auch an Jugendgruppen, Pfarren u.s.w. ausgeliehen.
3.4. BESICHTIGUNG DES IDCIV
Eine weitere Möglichkeit für Lehrer ist der Besuch des IDCIV mit ihren Klassen. Sr. Maria Pia hat schon zahlreichen Volks-, Haupt- und AHS-Unterstufenklassen die vorhandenen Kultgegenstände, sowie die Modelle von Bundeszelt und Tempel erklärt. Überdies zeigt sie den Klassen gerne eine Diareihe von Israel, da sie mehrmals einige Monate im Lande lebte.
Oberstufenklassen möchten gerne nicht nur sehen, sondern auch Fragen stellen und diskutieren. Sie kommen nicht nur aus Wien, sondern auch aus der Umgebung und einmal hatten wir sogar Klassen aus Graz hier. Auch Klassen der Blindenschule haben schon das IDCIV besucht und sich dabei äußerst interessiert gezeigt. Weitere Interessenten, die fallweise kommen, sind Pfarrgruppen.
Solange die Religionspädagogische Akademie in der Burggasse war, besichtigten Klassen der Studenten regelmäßig das IDCIV. Manche von ihnen kommen heute, um sich Material für den Unterricht auszuleihen oder bringen ihre Klassen im Rahmen einer Exkursion.
3.5. FÖRDERUNG WISSENSCHAFTLICHER ARBEITEN, INFORMATIONEN
Im Laufe der vergangenen 20 Jahre sind zahlreiche Studenten zu uns gekommen um Hilfe oder Rat. Am Häufigsten waren es Studenten der RPA oder PädAk, die Hausarbeiten in Religion schreiben wollten. Manchmal ging es darum, das Thema überhaupt erst genau zu formulieren, in anderen Fällen wollten die Studenten nur Literatur ausleihen. Frau Elisabeth Stockert hat in ihrer Hausarbeit: “Das christlich-jüdische Missverständnis und sein Abbau in der Katechese“ sogar ein Dankeswort für unsere Hilfe aufgenommen.
Auch für Seminararbeiten haben wir etliche Male Unterlagen zur Verfügung gestellt. Vor allem unser reichhaltiges Archivmaterial – Zeitungsausschnitte zu einschlägigen Themen, die zum Teil in die 60er Jahre zurückreichen – sind eine Fundgruppe für Historiker und andere.
In letzter Zeit sind es auch Journalisten, die ihren Weg zu uns finden, sei es für Dokumente zu bestimmten Themen, sei es auch für Bildmaterial. Wir bekommen überdies immer wieder schriftliche und telephonische Anfragen zu allen möglichen Themen und Problemen.
Da wir ziemlich viel Material über Israel haben, sind wir gerne bereit Israel-Reisenden behilflich zu sein, sei es bezüglich ihres Programms, der Kontakte, die wir ihnen vermitteln können oder indem wir ihnen einige Ratschläge bezüglich Quartier geben.
Nicht jeder hat die Möglichkeit zu uns zu kommen und unsere Angebote zu nützen. Daher sind wir auch bereit, Vorträge in Pfarren, Bildungswerken, Volkshochschule u.ä. zu halten, nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern – soweit es unsere Zeit erlaubt. Dieses Angebot ist in den vergangene 20 Jahren auch öfters genützt worden, sodass Sr. Maria Pia und ich Vorträge in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Tirol hielten.
3.6. PUBLIKATIONEN
Im Dezember 1967 gaben wir ein erstes Informationsblatt für christlich-jüdische Verständigung heraus. Dann kam eine längere Pause. Von Feber 1970 bis Juni 1974 lebte das Informationsblatt auf Anregung von Sr. Maria Pia und durch ihre Mithilfe wieder auf. Es erschienen in unregelmäßigen Intervallen insgesamt 9 Nummern - unter der Bezeichnung: “Begegnung = pegischa“.
Hauptgrund für die Nichtweiterführung des Blattes war die Tatsache, dass wir die Möglichkeit hatten, einerseits die Informationen durch das “Mitteilungsblatt der Aktion gegen den Antisemitismus“ zu erhalten und zu verbreiten, anderseits aber auch eingeladen wurden, selber Artikel in diesem Blatt zu schreiben. Damit erübrigte es sich, eine eigene Publikation zu erstellen.
Seit 2 Jahren haben wir aber wieder eine Publikation. Wiederholt wurde der Wunsch geäußert, die Vorträge des IDCIV schriftlich zu bekommen. Da kein Verlag bereit war – ohne hohe Subvention – die Vorträge in Buchform herauszubringen, beschlossen wir, sie in einer Reihe von Heften zu Papier zu bringen. Es sind bis jetzt - mit diesem - 9 Hefte erschienen und weitere sind in Arbeit.
3.7. SEMINARE UND TAGUNGEN
Neben den monatlichen Vorträgen hatten wir in den vergangenen Jahren fallweise zusätzliche Vorträge auch in den Bundesländern – soweit es unsere Zeit erlaubt. Dieses Angebot ist in den vergangenen 20 Jahren auch öfters genützt worden, sodass Sr. Maria Pia und ich Vorträge in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Tirol hielten. Zwei Jahre hindurch machte ich auch den Versuch eines Hebräischkurses für einige meiner Schülerinnen. Nach zwei Jahren war der Versuch zu Ende.
Im Oktober 1985 veranstalteten wir ein Seminar zu den "Hinweisen für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und Katechese", ein Dokument, das im Sommer 1985 von der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum herausgegeben wurde. Es wurden einige Religionslehrer für die zwei Nachmittagsveranstaltungen eingeladen. Besucht wurde das Seminar schließlich nur von einer Klasse der RPA.
Vom 1. bis 3. Mai 1987 machten wir einen neuen Versuch. Wir veranstalteten ein Wochenendseminar in der Wiener Neustadt: “Begegnung mit dem Judentum. Einführung in das Judentum“. Zweck der Tagung war, interessierten Christen eine Einführung in das Judentum durch gläubige Juden zukommen zu lassen. Die Tagung war vor allem für Nicht-Wiener gedacht, die wenig Möglichkeit haben, Juden und das Judentum kennen zu lernen.
Die Tagung war ein Erfolg, sodass wir eine Fortsetzung in zwei Jahren planen. Eine weitere Tagung in der Wiener Neustadt ist unsere Jubiläumsveranstaltung vom 24. bis 26. Oktober 1987. Wir haben als Tagungsthema die “Gemeinsame Spiritualität von Juden und Christen“ gewählt in dem Bewusstsein, dass die Spiritualität, diese wesentliche Komponente unseres Glaubens und unsers Lebens, Juden und Christen verbindet. Wer an Gott glaubt, sucht auch Begegnung mit Ihm. Die Wege zu dieser Begegnung gehen zwar in manchem auseinander, doch gerade im Gebet und in der Mystik gibt es zwischen Juden und Christen viel Gemeinsames, da wir ja alle den Weg zu dem gleichen Gott suchen. So hoffen wir, dass wir durch diese Tagung uns nicht nur besser kennen lernen, sondern in einer tieferen Dimension unsers Wesens einander begegnen.
Vortrag aus dem Jahr 1987 zum 20-jährigen Bestehen des IDCIV
1.1. DIE KONGREGATION “UNSERE LIEBE FRAU VON SION“
Das IDCIV ist zwar erst vor 20 Jahren entstanden, seine Wurzeln reichen aber bis vor das Jahre 1938 zurück, in gewissem Sinne noch weiter. Denn einerseits kann man das “Pauluswerk“ von Msgr. Österreicher als den Vorläufer des IDCIV ansehen, anderseits ist aber das Werk, das von der Kongregation “Unserer Lieben Frau von Sion“ ins Leben gerufen wurde, eng mit der Entwicklung dieser Kongregation verbunden.
Die Kongregation “Unsere Liebe Frau von Sion“ wurde 1843 von Theodor Ratisbonne gegründet. Theodor Ratisbonne wurde 1802 als Sohn einer weitgehend assimilierten deutsch-jüdischen Familie in Strassburg geboren. 1827 ließ er sich taufen und 1830 wurde er zum katholischen Priester geweiht und wollte sein Leben dem Heil seiner jüdischen Brüder widmen.
Am 20. Jänner 1842, während er in Rom weilte, empfing sein jüngster Bruder Alfons plötzlich durch Maria die Gnade des christlichen Glaubens. Im Lichte von Gottes Wort erkannte Theodor die Bedeutung dieses Ereignisses und, von seinem Bruder angespornt, sah er den Zeitpunkt gekommen, dem bereits gehörten Ruf Folge zu leisten: innerhalb der Kirche Zeugnis abzulegen von der Treue Gottes zu seiner Liebe für das jüdische Volk und “die Erfüllung der Verheißungen zu beschleunigen“, die sich auf das Schicksal des jüdischen Volkes beziehen. In Paris gründete er ein Werk, im Einklang mit dem Denken der Kirche der damaligen Zeit, um junge jüdische Mädchen, die ihm von deren Eltern anvertraut waren, zu erziehen. Daraus entstand unsere Kongregation.
Gemäss dem theologischen Verständnis seiner Zeit hatte “die Mitarbeit an der Erfüllung der Verheißungen in Bezug auf das Schicksal des jüdischen Volkes“ nur eine einzige Bedeutung für Pater Theodor: die Aufnahme der Juden in die Kirche, ihre Taufe. Um dies zu realisieren, verlangte er von den Schwestern die “Aufopferung ihrer Gebete, Arbeit und Opfer für das Volk Israel“, obwohl sie gleichzeitig jegliche Bekehrungsversuche zu vermeiden hatten.
Dieses Anliegen des Gründers wurde nicht nur von den Schwestern und später auch den Patres weitergeführt, sondern es wurde überdies 1903 eine “Gebetsbruderschaft“ gegründet, um sowohl Priester als auch Laien für dieses Gebetsanliegen zu gewinnen. Die “Gebetsbruderschaft für Israel“, wie sie genannt wurde, wurde von Pius X. am 24.August 1909 zur Erzbruderschaft erhoben und am 3. Feber 1926 gewährte Pius XI. allen Priester-Mitgliedern einen vollkommenen Ablass, sooft sie das HI. Messopfer für Israel darbringen.
Die Gebetsbruderschaft könnte man als eine der Wurzeln des IDCIV ansehen auf jeden Fall in den Jahren nach dem Krieg. Darüber aber später mehr. In den Jahren vor 1938 war es ein Anliegen der Kongregation, Juden, die sich taufen lassen wollten, im katholischen Glauben zu unterrichten und Tauffeiern in der Kapelle des Hauses zu organisieren. Bis zum Anschluss kamen immer mehr Leute zur Taufe, sodass schließlich jede Woche Taufen im Hause stattfanden, die meistens von P. Bichlmair S.J. gespendet wurden. Im Laufe der Jahre entstanden in den verschiedenen Ländern Nachrichtenblätter für die Mitglieder des Gebetsapostolats: 1917 in London der “Guild of Israel“ und 1922 in Paris das “Bulletin pour Israel“.
1.2. MSGR. ÖSTERREICHER UND DAS PAULUSWERK
Johannes Österreicher wurde im mährischen Liebau als Sohn eines jüdischen Tierarztes geboren. Er wollte ursprünglich ebenfalls Medizin studieren. Nach inneren Kämpfen fand er zur katholischen Kirche und wurde am 17. Juli 1927 zum Priester geweiht. Seine Primiz feierte er in der Sionskapelle in Wien. Ende 1933 oder Anfang 1934 gründete er, der damals Kaplan in Ottakring war, das “Pauluswerk“, um für die Bekehrung der Juden zu beten und den getauften Juden eine Gemeinschaft anzubieten.
Am 25. Jänner 1934 wandte er sich gemeinsam mit dem Jesuiten P. Bichlmair an unsere Schwestern mit der Bitte, sich an der Zeitschrift die “Erfüllung“, die Österreicher plante, mitzuwirken. Die Zeitschrift sollte sich vor allem an jüdische Konvertiten wenden aber auch an jene Katholiken, die sich für die jüdische Frage interessierten. Es sollte in etwa den Nachrichtenblättern für die Gebetsbruderschaft entsprechen. Das Angebot kam einerseits für die Schwestern gerade recht, da sie einen Redaktor für ihr Nachrichtenblatt suchten, anderseits hatten sie Angst, dass sie dann nicht mehr ihre eigene Linie verfolgen könnten. Es dürfte schließlich zu keiner Zusammenarbeit auf diesem Gebiet gekommen sein, die Zusammenkünfte des Pauluswerkes fanden jedoch meistens im Sionskloster statt.
“Die Erfüllung“ erschien zum ersten Mal am 17. Juli 1934 mit einem Vorwort von Kardinal Innitzer, der u. a. schreibt:
“'Die Erfüllung' will in dieser wirren und trüben Zeit eine Stimme des Geistes und der Wahrheit sein. Ihr Ziel ist, die „religiöse“ Schau des jüdischen Seins Juden und Christen zu vermitteln. So ist sie berufen, Mauern niederzulegen, die Menschen durch Unwissenheit und Zwietracht, durch Irrtum und Schuld voreinander aufgerichtet haben.“
Im Vorspruch zu diesem Heft schreibt Österreicher:
“Unsere Zeitschrift ... will einer Begegnung der Juden mit dem Geiste Jesu Christi und einer Begegnung der Christen mit der Sendung Israels dienen. Letztlich: der Erfüllung der Bitte Christi, die das Anliegen des wahren Menschen ist: 'Dass alle eins seien!'... 'Die Erfüllung' will das verborgene Sein des Judentums ans Licht bringen. Sie wird von der göttlichen Wahrheit und menschlichen Erhabenheit der Bibel sprechen; von Weisheit im Talmud und von chassidischer Frömmigkeit. Sie wird den großen Anteil auch des heutigen Judentums am modernen Geistesleben prüfen... Aus dieser Einsicht, 'dass der Mensch, der nicht mehr als nur den Menschen will, nicht einmal das Menschliche erfüllt' (Joseph Bernhart), spricht 'Die Erfüllung' von Christus, den Gottmenschen.“
Im dritten Heft des Jahrgangs 1936 bezeichnet der Bischof von Olmütz in einem Grußwort den Zweck der Zeitschrift als, für die Bekehrung der Juden zu beten. “Es füllt daher die Zeitschrift 'Die Erfüllung' und ebenso auch das Pauluswerk eine recht fühlbare Lücke aus, wenn sie uns auffordert, für das Heil Israels zu beten.“
Im ersten Heft des Jahrgangs 1937 werden die Vorträge einer Vortragsreihe des Pauluswerks über die Judenfrage veröffentlicht. Diese Vorträge wurden im Sionskloster gehalten. Insgesamt erschien die Zeitschrift zweimonatlich von 1934 bis 1938.
Nach dem Anschluss ging Österreicher in die Emigration und auch die Sionsschwestern verließen Wien. Damit hörte die Arbeit des Pauluswerkes auf. Kurz darauf kamen zwar einige Schwestern wieder nach Wien zurück, sie lebten aber in einem Privathaus in Grinzing und hatten keine Möglichkeit, diese Arbeit fort zu setzen.
1.3. GEBETSAPOSTOLAT, PAULUSWERK UND LEGIO MARIENS
Im Jahre 1946 kamen die Schwestern aus Grinzing wieder in das Haus in der Burggasse zurück. Auch einige Schwestern, die die Kriegsjahre in anderen Ländern verbracht hatten, kamen nach Wien zurück, um die Werke der Sionsschwestern neu aufzubauen. Es wurde zunächst ein Kindergarten eröffnet, später dann eine Volksschule, die mit Hauptschule und Handelsakademie fortgeführt wurde. Es war ein kleiner Anfang der jedes Jahr wuchs.
Schon 1946 wurde das “Gebetsapostolat für Israel“ wieder ins Leben gerufen. Priester und Laien wurden angeschrieben mit der Bitte, sich dem Gebet der Schwestern anzuschließen. Im Haus wurde der 4. Sonntag jedes Monats in besonderer Weise dem “Gebet für Israel“ gewidmet. Nach der Gemeinschaftsmesse der Schwestern wurde das Allerheiligste bis zum Abend ausgesetzt und den ganzen Tag über beteten Schwestern in der Kapelle.
Spätestens seit 1950 wurden die Mitglieder des Gebetsapostolats eingeladen, sich am 4. Sonntag des Monats in Sion zu treffen. Zunächst war es der Jesuitenpater Bichlmair, der die Messe mit Predigt feierte und die Gruppe nachher bei Frühstück und Gespräch betreute. P. Bichlmair hatte sich schon vor dem Krieg der Taufbewerber in der Burggasse angenommen. Nach dem Anschluss übernahm er mit Einverständnis und Unterstützung durch Kardinal Innitzer in besonderer Weise die Sorge für die bedrängten nichtarischen Katholiken Wiens. Im November 1939 wurde P. Bichlmair verhaftet und Anfang 1940 nach Oberschlesien verbannt. Ende 1940 wurde aus dem von P. Bichlmair begonnen Werk “Der Stall“, die von Kardinal Innitzer gegründete “Erzbischöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“. Mit der Leitung betraute der Kardinal P. Ludger Born aus dem Jesuitenorden. Ab April 1950 übernahm P. Portenschlag die monatliche Messfeier mit Predigt für die Mitglieder des Gebetsapostolats. Nach der Messe traf man sich regelmäßig zu einem Frühstück bei dem es entweder zu einem Austausch kam oder aber es wurden Texte vorgelesen, die die Mitglieder interessieren könnten.
Schon im Oktober 1950 machten sich die Schwestern darüber Gedanken, das “Pauluswerk“ wieder ins Leben zu rufen. Es dauerte jedoch noch über ein Jahr, bis sich dieser Wunsch realisieren ließ. Während dieser Zeit kam Msgr. Mauer mehrmals in die Burggasse um einen Abendvortrag für etwa 60 Personen zu halten. In einem der Vorträge behandelte er den Römerbrief, in einem anderen sprach er über “Natur und Gnade nach dem Römer– und dem Galaterbrief“.
Am Samstag den 12. Jänner 1952 fand ein biblischer Vortrag für die Mitglieder des Pauluswerkes statt und man beschloss, dies zu einer Institution zu machen: sich jeden Samstag für einen solchen Vortrag zu treffen. Dieser Vorsatz dürfte auch während einiger Monate durchgehalten worden sein.
Während dieser Zeitspanne gab es auch Vorträge für die Mitglieder des Gebetsapostolats. So sprach einmal Prof. Schedl über “Advent im Alten Testament“. Ein andermal sprach Dr. Lichtenstein über den Katholizismus in der Schweiz im Kanton Zürich.
Die Mitglieder des Gebetsapostolats trafen sich auch weiter zur Monatsmesse am 4. Sonntag. Überdies beschlossen sie im Oktober 1950, sich jeden 2. Dienstag des Monats für eine Heilige Stunde am Abend in Sion zu treffen. Bis zum Sommer 1951 gab es tatsächlich entweder eine Gebetsstunde oder eine Abendmesse einmal im Monat – ab Jänner jeweils am Mittwoch.
Das Nebeneinander von Gebetsapostolat und Pauluswerk nahm schließlich ein Ende mit der offiziellen Errichtung des Pauluswerkes als “Unio pia“ am Freitag, den 25. Jänner 1952. Kardinal Innitzer kam ins Sionskloster um eine Abendmesse mit den Mitgliedern des neuen Vereins zu feiern und nachher über eine Tasse Tee im Sprechzimmer noch zwanglos mit ihnen zu reden. Sr. Carolina, die vom Anfang an das Pauluswerk begleitete und auch schon für das Gebetsapostolat zuständig war, stellte die Mitglieder dem Kardinal vor.
Geistlicher Leiter des Pauluswerkes bis Frühjahr 1953 war P. Portenschlag. In den darauffolgenden zwei Jahren gab es keinen fixen Leiter. Erst im Herbst 1955 wurde wieder ein Priester, Msgr. Gianone, offiziell mit der Leitung des Pauluswerkes betraut.
Seit der Gründung des Pauluswerkes wurden die monatlichen Messen für das Gebetsapostolat gemeinsam mit dem Pauluswerk gefeiert. Von diesem Zeitpunkt an verwischen sich die Grenzen zwischen Gebetsapostolat und Pauluswerk. Nach der Messfeier gab es immer ein Frühstück mit geselliger Aussprache, manchmal auch ein Vortrag.
Im Jänner 1955 wurde den Schwestern der Vorschlag unterbreitet, ein Präsidium der Legio Mariens in unserem Haus zu errichten, welches mit dem Pauluswerk zusammenarbeiten könnte. Es dauerte noch über ein halbes Jahr, bis sich das Projekt konkretisieren konnte. Im Oktober wurde dann die erste Versammlung der Legio mit einem Vortrag abgehalten. Eine kleine Gruppe von vier Personen erklärte sich bereit in einem Präsidium “Notre Dame de Sion“ mitzuarbeiten. P. Geis SVD, Kaplan der Pfarre St. Ulrich, erklärte sich bereit, die Leitung zu übernehmen. Als Schwester war zunächst Sr. Carolina mit der Legio betraut, später dann Sr. Lisbetha.
Mit der Gründung der Legio Mariens änderte sich auch die Ausrichtung des Pauluswerkes. Die Legionäre übernahmen praktisch – zusammen mit Sr. Lisbetha – die Leitung. Die Vorträge nach der Sonntagsmesse wurden oft von einer Legionärin gehalten. Oft war es auch P. Geis, der den Vortrag hielt, meistens im Sinne einer Stärkung im Glauben.
Auf einen Artikel von Sr. Lisbetha 1960 im “Grossen Entschluss“ über das Verhältnis zwischen Juden und Christen reagierte Dkfm. Otto Herz und schrieb Sr. Lisbetha einen sehr herzlichen Dankesbrief. Dies führte zu einer engen Zusammenarbeit mit Dkfm. Herz und mehr noch zu einer wahren Freundschaft zwischen ihm und der Schwesterngemeinschaft. Im Mai 1964 sprach dann Otto Herz zu den Mitgliedern des Pauluswerkes zum Thema: “Dialog zwischen Juden und Christen heute“.
Man könnte diesen Vortrag als den Anfang einer Neuorientierung des Pauluswerkes ansehen, obwohl es noch zwei Jahre dauerte bis es möglich war, die Wende wirklich zu vollziehen. Im September 1966 machte Sr. Lisbetha den Vorschlag, dass ich das Pauluswerk übernehmen sollte. Es war dies fast ein Jahr nach der Promulgation der Konzilserklärung “Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den Nichtchristlichen Religionen, insbesondere zu den Juden.
Schon 1961 hatte die damalige Generalassistentin Sr. Colette, den Vorschlag gemacht, dass jede Provinz eine Schwester nach Paris schicken sollte, um dort für das Gespräch zwischen Juden und Christen ausgebildet zu werden. Für Wien fiel die Wahl auf mich. So verbrachte ich die Jahre 1962 bis 1964 in Paris und begann dort Hebräisch zu lernen und Judaica zu lesen. Bei meiner Rückkehr nach Wien inskribierte ich Judaistik an der Wiener Universität. Dadurch lernte ich eine Reihe von Persönlichkeiten kennen, die sich für das christlich-jüdische Gespräch interessierten und auch bereit waren uns einschlägige Vorträge zu halten.
2. ENTSTEHUNG
2.1. DAS ZWEITE VATIKANISCHE KONZIL
In der öffentlichen Sitzung des Konzils am 28. Oktober 1965 wurde die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen promulgiert. Die ganze Erklärung – und insbesondere der vierte Absatz über das Verhältnis der Kirche zum Judentum – hatte eine lange bewegte Geschichte, auf die es nicht möglich ist hier einzugehen. Gerade wegen dieser Schwierigkeiten schien es jenen Bischöfen und Konzilstheologen, die schon in ihren jeweiligen Ländern für eine Verständigung zwischen Juden und Christen arbeiteten, notwendig, sich mit den promulgierten Text nicht zufrieden zu geben. Sie überlegten, wie man das Konzilsdokument in bezug auf seine Aussagen zum Verhältnis zwischen Juden und Christen in die konkrete Tat umsetzen könne. Sie waren sich überdies der Notwendigkeit bewusst, weiterhin informiert zu bleiben, um eine Gesamtschau der jüdisch-christlichen Zusammenarbeit zu erhalten. Dazu brauchten sie Informationen: über die wichtigsten Ereignisse auf dem Gebiet der jüdisch-christlichen Verständigung in den verschiedenen Ländern, über die Reaktionen auf die Konzilserklärung, über die Schwierigkeiten, die auftauchen würden, über die neuen Möglichkeiten sowie über die Entwicklung dieser Frage in den anderen christlichen Kirchen und im Judentum.
Schon während der Konzilsberatungen hatte die Gruppe Kontakt mit den Schwestern “Unserer Lieben Frau von Sion“ in Rom auf genommen, da man wusste, dass sie von ihrem Ordensziel her sich für die Förderung der Verständigung zwischen Juden und Christen einsetzten. Als es nun darum ging, ein internationales Dokumentationszentrum zu errichten, wandten sie sich erneut an die Schwestern, die mit ihrer Zusage nicht zögerten.
In kürzester Zeit wurde ein Raum im Generalat in Rom zur Verfügung gestellt und entsprechend eingerichtet. Das SIDIC = “Service international de documentation judeo-chrétienne“ war geboren. Um die nötigen Nachrichten aus aller Welt zu erhalten, wurden die Schwestern in den verschiedenen Ländern sowie einige Freunde gebeten, Informationen nach Rom zu schicken. Aus diesem Material entstand dann im Feber 1967 die erste Nummer der Zeitschrift SIDIC, die heute dreimal im Jahr in einer Englischen und einer Französischen Ausgabe erscheint.
Schon vor der Promulgierung der Konzilserklärung “Nostra Aetate“ hatte die Kongregation bei ihren Generalkapiteln von 1957 und vor allem von 1963 das Ordensziel und seine Verwirklichung im Lichte der Zeit und im Sinne des Gründers neu überdacht. Es wurde dabei deutlich, dass “die Mitarbeit an der Erfüllung der Verheißungen in Bezug auf das Schicksal des jüdischen Volkes“ heute nicht darin bestehen kann, Juden zum Katholizismus “bekehren“ zu wollen, vielmehr formulieren unsere neuen Konstitutionen aus dem Jahr 1984:
“Wir sind berufen, durch unser Leben Zeugnis zu geben von der Treue, mit der Gott das jüdische Volk liebt, und von seiner Treue zu den Verheißungen, die er den Patriarchen und Propheten Israels für die ganze Menschheit geoffenbart hat. In Christus ist uns das Unterpfand ihrer Erfüllung gegeben. Diese Berufung besagt, dass unser apostolisches Leben von einem dreifachen Engagement bestimmt ist: für die Kirche, für das jüdische Volk und für eine Welt der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe.“
Diese Neuorientierung bedeutete konkret, dass die Schwestern aller Länder dazu aufgefordert wurden, entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Landes, sich darum zu bemühen einerseits das Judentum selber kennen zu lernen, dann aber auch dieses Wissen vom Judentum an andere Christen, vor allem an “Multiplikatoren“ weiterzugeben. Ein Schritt in dieser Richtung war der Versuch eines “Arbeitskreises: Christentum und Judentum“ der ab Jänner 1966 für Jugendliche lief. Man traf sich einmal im Monat in der Burggasse, wobei jeweils ein anderer Jugendlicher ein Referat hielt. Die ersten Themen waren: Die Juden in der christlichen Verkündigung – Der Antisemitismus – Der Staat Israel – Heutige Bestrebungen zum christlich-jüdischen Gespräch. Im Arbeitsjahr 1966/67 konnte sich der Arbeitskreis weiterhin monatlich treffen, dann aber hörte er wieder auf, da die Jugendlichen nicht genügend Zeit hatten, um sich dafür zu engagieren.
Der neue Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils ging auch an dem Pauluswerk nicht spurlos vorüber. Ab Herbst 1966 lag der Schwerpunkt der Zusammenkünfte nicht mehr in einer Unterweisung im christlichen Glauben, sondern vielmehr in einer Vermittlung von Kenntnissen über das Judentum sowie über das Verhältnis zwischen Juden und Christen. Die Versammlungen wurden allmählich von Sonntagvormittag auf Montagabend verlegt und kompetente Referenten zu Vorträgen eingeladen. Von Feber bis Juni 1967 waren die Referenten jeweils Juden, die über verschiedene Themen sprachen. Ein besonderes Ereignis war der Vortrag im Mai 1967 von Oberrabbiner Eisenberg zum Thema “Der jüdische Glaube“.
Bis zum Herbst 1967 hatte sich die Neuordnung durchgesetzt. Für das Arbeitsjahr 1967/68 waren nur mehr Abendveranstaltungen vorgesehen, mit Ausnahme vom Dezember-Treffen, das weiterhin an einem Sonntagvormittag blieb mit einem geselligen Zusammentreffen nach der Messe. Referenten waren nun sowohl Christen - katholische und evangelische - als auch Juden. In der Aussendung wurde das Pauluswerk nicht mehr erwähnt. Dadurch wurde der nächste Schritt der Entwicklung vorbereitet.
2.2. DAS IDCIV = INFORMATIONSZENTRUM IM DIENSTE DER CHRISTLICH-JÜDISCHEN VERSTÄNDIGUNG
So wurde im Jänner 1967 der Beschluss gefasst, ein Informationszentrum zu eröffnen und dafür Bücher zu kaufen und einen Raum einzurichten. Ich bekam von meiner Oberin den Auftrag, eine Bücherliste zusammenzustellen und Bücher und einige Möbel zu kaufen. In nur wenigen Monaten entstand ebenerdig, in der Nähe der Pforte, ein kleines aber recht gemütliches Informationszentrum mit circa 300 Büchern, eine Reihe von Zeitschriften und einige Schallplatten.
Am 16. Oktober 1967, anlässlich des ersten Vortrags des Pauluswerks wurde das Informationszentrum feierlich eröffnet. Den Vortrag hielt Clemens Thoma zum Thema: “Ansatzpunkte für das christlich-jüdische Gespräch“.
In einer Pressemeldung der Wiener Kirchenzeitung vom 5. November 1967 heißt es:
“In diesem mit Bildern, Landkarten und Kultgegenständen ausgestatteten Raum befindet sich auch eine Bibliothek, die allen am christlich-jüdischen Gespräch und der Bekämpfung des Antisemitismus Interessierten zur Verfügung steht. Der Raum selbst ist für Vorträge, informative Aussprachen und Tagungen gedacht; besonders sollen hier Lehrpersonen, Erzieher und andere, die mit der Jugend befasst sind, die Möglichkeit haben, sich mit dem Gedankengut des Judentums vertraut zu machen und die für ihre Arbeit nötigen Informationen auf diesem Gebiet zu erhalten. Die im Dezember in Wien stattfindende Tagung des Internationalen Konsultativkomitees der Organisationen für christlich-jüdische Zusammenarbeit wird gleichfalls im Haus der Schwesternschaft abgehalten.“
In Anlehnung an SIDIC in Rom wurde als Titel des Informationszentrums IDCIV = Informationszentrum im Dienste der christlich-jüdischen Verständigung gewählt. Auf Grund unserer beschränkten Möglichkeiten wollten wir in Wien bescheidener sein. Wir beschlossen daher, kein Dokumentationszentrum, sondern nur ein Informationszentrum zu errichten, mit dem Zweck, Informationen zu sammeln und an SIDIC weiterzuleiten. Die beiden christlich-jüdischen Organisationen in Wien: der “Koordinierungsausschuss für christlich- jüdische Zusammenarbeit“ und die “Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich“, begrüßten das Vorhaben und unterstützten es kräftig. In den nächsten zwei Jahren fanden die meisten Vorstandssitzungen der Aktion im IDCIV statt. So sollte unser Informationszentrum in Ergänzung des Instituts für Judaistik der Universität Wien in der Verbreitung des Gedankenguts des Judentums und der christlich-jüdischen Verständigung wirken.
Die Bilanz des ersten Jahres war erfreulich. In einem Brief an die Mitglieder des Pauluswerkes schrieb ich daher im Herbst 1968:
“Es kamen einige Besucher und immer wieder interessierten sie sich für das Vortragsprogramm des Pauluswerkes. Wir hoffen, dass im Laufe der Jahre unser Informationszentrum noch weiteren Kreisen bekannt wird und wir dadurch auch neue Besucher der Vorträge erhalten. Es scheint uns aber schwierig, einerseits von einem Informationszentrum zu sprechen und andererseits wieder vom Pauluswerk. Die Leute werden dadurch verwirrt. Diese Verwirrung wird vergrößert durch die Existenz der 'Paulusgesellschaft' – für den Dialog mit den Atheisten. Wir haben uns daher entschlossen, dass Programm des Pauluswerkes als Programm des Informationszentrums zu verbreiten. Am Pauluswerk hat sich dadurch gar nichts geändert. Die Titeländerung des Programms erleichtert aber die Werbung neuer Mitglieder. Es kommt uns doch alle nur darauf an, dass möglichst viele Menschen zu einem echten Gespräch zwischen Juden und Christen geführt werden.“
2.3. WEITERE ENTWICKLUNG DES IDCIV
Im Herbst 1969 begannen drei Sionsschwestern eine kleine Gemeinschaft im 2. Wiener Gemeindebezirk. Wir wohnten in einer Wohnung und jede ging ihrer Arbeit nach, sei es in der Pfarre, sei es in der Schule. Eine der Hauptziele der neuen Niederlassung war es, unser Anliegen der christlich-jüdischen Verständigung nicht nur in der Burggasse zu verbreiten sondern auch in anderen Teilen Wiens, insbesondere im 2. Bezirk, in dem die Bewohner vor 1938 mit einer blühenden jüdischen Gemeinde zusammenlebten.
Das Informationszentrum übersiedelte daher in die Praterstrasse, während die monatlichen Zusammenkünfte weiterhin in der Burggasse stattfanden. Wir begannen überdies mit Vortragsabenden in der kleinen Wohnung in der Praterstrasse. Als die Gemeinschaft zwei Jahre später auf den Lassingleithnerplatz übersiedelte, wurden die Runden dort fortgesetzt. Der Arbeit im 2. Bezirk war aber keine Dauer beschieden, obwohl diese Jahre eine Reihe von fruchtbaren Kontakten brachte.
Auf Grund von wiederholten Anfragen wurde es allmählich deutlich, dass die monatlich stattfindenden Vorträge in der Burggasse auch die Mitglieder des Koordinierungsausschusses interessierten. Zu Beginn des Jahres 1971 beschloss man daher, die Adressenkartei beider Organisationen zu vereinigen, um das Angebot allen Interessierten zugänglich zu machen. Ein weiterer Schritt in der Zusammenarbeit der beiden Organisationen erfolgte erst mehr als 10 Jahre später, als ab Herbst 1983 der Koordinierungsausschuss als Mitveranstalter der Vorträge in der Burggasse zeichnete. Seither ist es uns möglich – wenigstens fallweise – auch Referenten aus dem Ausland für Vorträge einzuladen. Dies geschah insbesondere zur Feier des 20. Jahrestages der Promulgation der Konzilserklärung Nostra Aetate am 28. November 1985.
Als wir im Herbst 1975 unser Schulhaus der Erzdiözese Wien übergaben und die Religionspädagogische Akademie einzog, beschlossen wir das IDCIV wieder in die Burggasse zurückzubringen, um den zukünftigen Religionslehrern die Möglichkeit zu geben, unsere Bibliothek und audio-visuelle Medien kennen zu lernen. Seither befindet sich das Informationszentrum in dem großen Raum im 1. Stock, wo wir uns auch nach den monatlichen Vorträgen bei einer Tasse Tee zusammensetzen.
3. DAS WIRKEN DES IDCIV
3.1. VORTRÄGE, BESINNUNGSSTUNDE, AUSSTELLUNGEN
Wie schon erwähnt, bestand die Haupttätigkeit des IDCIV von Anfang an in den monatlichen Vorträgen. Es war unser Bemühen, die Referenten möglichst interkonfessionell auszuwählen und eine Vielzahl von Themen und Interessensgebieten zur Sprache zu bringen. So standen neben religiösen Themen auch historische, literarische und künstlerische auf dem Programm.
Am 15. Mai 1973 machten wir den Versuch einer gemeinsamen christlich-jüdischen Gebetsstunde. Wir nannten es: Interkonfessionelle Feierstunde zum Thema des Exodus. Nur mit größter Mühe gelang es uns, die Feierstunde zustande zu bringen. Wir hatten den Eindruck, der Versuch sei für Wiener Verhältnisse verfrüht.
Ein Jahr später, im Mai 1974, fand jedoch eine interkonfessionelle Gedenkstunde für die Opfer des Attentats auf die Kinder in Maaloth bei Qiriat Sch'mone in unserem Festsaal statt. Es war ein trauriger Anlass, der Vertreter von mindestens fünf Religionsgemeinschaften zu einem gemeinsam Gebet vereinigte.
Im März 1977 stellte Ernst Degasperi seinen Zyklus: “Das Wort – Die vier großen Propheten“ in den Räumen des IDCIV aus. Der Erfolg dieser Ausstellung gab uns den Mut, anlässlich des Katholikentags 1983 eine weitere Ausstellung gemeinsam mit den Koordinierungsausschuss vorzubereiten. Die Ausstellung: “Unterwegs zum Reich Gottes – Hoffnung für Juden und Christen“ wurde am 6. September 1983 vor ca. 60 Gästen eröffnet. Rabbiner Eisenberg, Präsident Hacker und Msgr. Paukowitsch begrüßten die Anwesenden und betonten die Notwendigkeit besserer christlich-jüdischer Beziehungen. Ich führte sodann durch die Ausstellung, zu der es auch einen kleinen schriftlichen Führer gab.
Seit 1965 war es das Bestreben der Kongregation, in jedem Land kleine “Christlich-jüdische Zentren“ zu errichten, deren Aufgabe zunächst darin bestand, SIDIC in Rom mit Informationen über die wichtigsten Ereignisse auf dem Gebiet der christlich-jüdischen Verständigung in ihren Ländern zu beliefern. Für Wien wurde ich gebeten diese Informationen weiterzugeben. Gleichzeitig wurde man sich jedoch immer mehr bewusst, dass es auch nötig wäre, mehr für die Aufklärung über das Judentum im eigenen Land zu tun.
Im Rahmen der Katholikentagsveranstaltungen war für den 10. September ein Jugendforum zum Thema der Ausstellung angeboten. Die Veranstaltung begann mit einer Führung durch die Ausstellung, bei der 25 Personen anwesend waren, davon blieben 15 zur anschließenden Diskussion.
Um auch Schulklassen die Möglichkeit zu geben, die Ausstellung zu besichtigen, ließen wir sie bis Ende Oktober hängen. Es kamen auch einige Lehrer mit ihren Klassen. Insgesamt war die Ausstellung recht gut besucht. Auf Anregung von Prof. Korherr habe ich sie später photographiert und die so entstandene Dia-Reihe mehrmals ausgeliehen.
3.2. SYNAGOGENBESUCH, JUDAISTISCHE STUDIENREISEN
Anliegen des IDCIV war und ist es, nicht nur theoretische Kenntnisse über das Judentum zu vermitteln, sondern soweit als möglich auch lebendige Begegnungen. Dies geschieht einerseits durch unsere jüdischen Referenten. Eine weitere Möglichkeit ist der Besuch der Synagoge in der Seitenstettengasse in Wien. Schon im November 1973 hatten wir eine Führung in der Synagoge. Ein noch engerer Kontakt entsteht jedoch durch die Teilnahme an einem Gottesdienst. Dies ermöglichten wir 10 Jahre später, im Dezember 1983, wobei ich vorher einen Einführungsvortrag über das Synagogale Gebet gehalten hatte. Eine weitere unvergessliche Begegnung war der Besuch im Dezember 1982 bei Kommerzialrat Berger, der uns in herzlichster Weise empfing und mit großer Begeisterung durch seine Sammlung führte.
Unsere Reisen haben ebenfalls das Ziel, eine bessere Kenntnis vom Judentum zu vermitteln. Israel-Reisen sind dazu besonders geeignet. Unsere 1. Israel-Reise – gemeinsam mit dem Katholischen Bibelwerk Klosterneuburg – war in den Weihnachtsferien 1976/77. Genau 10 Jahre später wiederholten wir unser Angebot. Die Teilnehmer der letzten Reise baten um eine Fortsetzung, die wir hoffentlich zu Weihnachten 1989/90 werden anbieten können. Schwerpunkt unserer Reisen ist die Begegnung mit den Menschen im Lande: Juden, Christen und Araber.
Angeregt durch die Begeisterung von P. Dr. Bernard Springer für Familienwappen und religiöse Symbole auf jüdischen Grabsteinen in Venedig, beschlossen wir im Frühjahr 1983 eine judaistische Studienreise nach Padua und Venedig zu organisieren. P. Bernard übernahm die Führungen und sorgte für die Beherbergung im Haus der Minoriten in Padua. Die Reise wurde ein voller Erfolg.
So entstand der Gedanke, neben den Israel-Reisen etwa alle zwei Jahre auch Reisen in andere Länder zu organisieren. In den Pfingstferien 1985 machten wir eine Busreise nach Prag und Theresienstadt. Für das Wochenende vom 1. November 1988 planen wir eine Ungarnreise. Auf weitere Sicht ist auch eine Spanienreise geplant, doch liegt der Zeitpunkt noch in den Sternen.
3.3. BIBLIOTHEK UND AUDIO-VISUELLE MEDIEN
Beim Einkauf der ersten Bücher für die Bibliothek im Jahre 1967 bemühten wir uns, Werke auszuwählen, die Lehrern der verschiedensten Disziplinen und anderen interessierten Personen, die jedoch nicht wissenschaftliche Werke über das Judentum suchten, nützlich sein könnten. Wir verzichteten auf kostspielige Werke wie z.B. Talmudausgaben in der Originalsprache, da diese im Institut für Judaistik eingesehen werden können. In den 20 Jahren seit dem Bestehen des IDCIV ist nun der Bücherbestand auf fast 1500 angewachsen.
Wir abbonierten auch vom Anfang an eine kleine Auswahl von Zeitungen und Zeitschriften vor allem in deutscher Sprache. Ein besonders wertvoller Zeitschriftenbestand sind die Freiburger Rundbriefe, die wir von der l. Nummer an vollständig haben. Im Laufe der Zeit sind auch Einzelnummern von Zeitschriften dazu gekommen, so z.B. vom “Entschluss“, der immer wieder christlich-jüdische Themen behandelt, oder auch “Bibel und Liturgie“. Insgesamt haben wir Exemplare von über 100 Zeitschriften.
Bei Gründung des IDCIV waren schon einige Schallplatten von religiösen Gesängen und Volkstänzen vorhanden sowie die dreiteilige Tonbildschau “Judaica“ über das religiöse Leben der Juden. Inzwischen sind die Schallplatten auf 20 angewachsen plus 15 Tonkassetten. An Diapositive sind heute etwa 2000 Stück vorhanden. Ein Grossteil sind Dias von Israel. Einige davon haben wir kopiert und daraus Reihen zu bestimmten Themen zusammengestellt. Unser Traum seit Jahren ist es, zu den Diareihen nicht nur schriftliche Kommentare zu erstellen, sondern Tonkassetten mit Wort und Musik. Aber auch so werden die Diareihen gerne ausgeliehen vor allem für Schulklassen, manchmal aber auch für Pfarrrunden und andere Veranstaltungen.
Sehr beliebt für den Religionsunterricht sind die jüdischen Kultgegenstände, von denen wir circa 20 haben. Einige Lehrer kommen regelmäßig jedes Jahr, um sich die Gegenstände auszuleihen. Pessachteller und Pessachhaggada haben wir auch an Jugendgruppen, Pfarren u.s.w. ausgeliehen.
3.4. BESICHTIGUNG DES IDCIV
Eine weitere Möglichkeit für Lehrer ist der Besuch des IDCIV mit ihren Klassen. Sr. Maria Pia hat schon zahlreichen Volks-, Haupt- und AHS-Unterstufenklassen die vorhandenen Kultgegenstände, sowie die Modelle von Bundeszelt und Tempel erklärt. Überdies zeigt sie den Klassen gerne eine Diareihe von Israel, da sie mehrmals einige Monate im Lande lebte.
Oberstufenklassen möchten gerne nicht nur sehen, sondern auch Fragen stellen und diskutieren. Sie kommen nicht nur aus Wien, sondern auch aus der Umgebung und einmal hatten wir sogar Klassen aus Graz hier. Auch Klassen der Blindenschule haben schon das IDCIV besucht und sich dabei äußerst interessiert gezeigt. Weitere Interessenten, die fallweise kommen, sind Pfarrgruppen.
Solange die Religionspädagogische Akademie in der Burggasse war, besichtigten Klassen der Studenten regelmäßig das IDCIV. Manche von ihnen kommen heute, um sich Material für den Unterricht auszuleihen oder bringen ihre Klassen im Rahmen einer Exkursion.
3.5. FÖRDERUNG WISSENSCHAFTLICHER ARBEITEN, INFORMATIONEN
Im Laufe der vergangenen 20 Jahre sind zahlreiche Studenten zu uns gekommen um Hilfe oder Rat. Am Häufigsten waren es Studenten der RPA oder PädAk, die Hausarbeiten in Religion schreiben wollten. Manchmal ging es darum, das Thema überhaupt erst genau zu formulieren, in anderen Fällen wollten die Studenten nur Literatur ausleihen. Frau Elisabeth Stockert hat in ihrer Hausarbeit: “Das christlich-jüdische Missverständnis und sein Abbau in der Katechese“ sogar ein Dankeswort für unsere Hilfe aufgenommen.
Auch für Seminararbeiten haben wir etliche Male Unterlagen zur Verfügung gestellt. Vor allem unser reichhaltiges Archivmaterial – Zeitungsausschnitte zu einschlägigen Themen, die zum Teil in die 60er Jahre zurückreichen – sind eine Fundgruppe für Historiker und andere.
In letzter Zeit sind es auch Journalisten, die ihren Weg zu uns finden, sei es für Dokumente zu bestimmten Themen, sei es auch für Bildmaterial. Wir bekommen überdies immer wieder schriftliche und telephonische Anfragen zu allen möglichen Themen und Problemen.
Da wir ziemlich viel Material über Israel haben, sind wir gerne bereit Israel-Reisenden behilflich zu sein, sei es bezüglich ihres Programms, der Kontakte, die wir ihnen vermitteln können oder indem wir ihnen einige Ratschläge bezüglich Quartier geben.
Nicht jeder hat die Möglichkeit zu uns zu kommen und unsere Angebote zu nützen. Daher sind wir auch bereit, Vorträge in Pfarren, Bildungswerken, Volkshochschule u.ä. zu halten, nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern – soweit es unsere Zeit erlaubt. Dieses Angebot ist in den vergangene 20 Jahren auch öfters genützt worden, sodass Sr. Maria Pia und ich Vorträge in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Tirol hielten.
3.6. PUBLIKATIONEN
Im Dezember 1967 gaben wir ein erstes Informationsblatt für christlich-jüdische Verständigung heraus. Dann kam eine längere Pause. Von Feber 1970 bis Juni 1974 lebte das Informationsblatt auf Anregung von Sr. Maria Pia und durch ihre Mithilfe wieder auf. Es erschienen in unregelmäßigen Intervallen insgesamt 9 Nummern - unter der Bezeichnung: “Begegnung = pegischa“.
Hauptgrund für die Nichtweiterführung des Blattes war die Tatsache, dass wir die Möglichkeit hatten, einerseits die Informationen durch das “Mitteilungsblatt der Aktion gegen den Antisemitismus“ zu erhalten und zu verbreiten, anderseits aber auch eingeladen wurden, selber Artikel in diesem Blatt zu schreiben. Damit erübrigte es sich, eine eigene Publikation zu erstellen.
Seit 2 Jahren haben wir aber wieder eine Publikation. Wiederholt wurde der Wunsch geäußert, die Vorträge des IDCIV schriftlich zu bekommen. Da kein Verlag bereit war – ohne hohe Subvention – die Vorträge in Buchform herauszubringen, beschlossen wir, sie in einer Reihe von Heften zu Papier zu bringen. Es sind bis jetzt - mit diesem - 9 Hefte erschienen und weitere sind in Arbeit.
3.7. SEMINARE UND TAGUNGEN
Neben den monatlichen Vorträgen hatten wir in den vergangenen Jahren fallweise zusätzliche Vorträge auch in den Bundesländern – soweit es unsere Zeit erlaubt. Dieses Angebot ist in den vergangenen 20 Jahren auch öfters genützt worden, sodass Sr. Maria Pia und ich Vorträge in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Tirol hielten. Zwei Jahre hindurch machte ich auch den Versuch eines Hebräischkurses für einige meiner Schülerinnen. Nach zwei Jahren war der Versuch zu Ende.
Im Oktober 1985 veranstalteten wir ein Seminar zu den "Hinweisen für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und Katechese", ein Dokument, das im Sommer 1985 von der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum herausgegeben wurde. Es wurden einige Religionslehrer für die zwei Nachmittagsveranstaltungen eingeladen. Besucht wurde das Seminar schließlich nur von einer Klasse der RPA.
Vom 1. bis 3. Mai 1987 machten wir einen neuen Versuch. Wir veranstalteten ein Wochenendseminar in der Wiener Neustadt: “Begegnung mit dem Judentum. Einführung in das Judentum“. Zweck der Tagung war, interessierten Christen eine Einführung in das Judentum durch gläubige Juden zukommen zu lassen. Die Tagung war vor allem für Nicht-Wiener gedacht, die wenig Möglichkeit haben, Juden und das Judentum kennen zu lernen.
Die Tagung war ein Erfolg, sodass wir eine Fortsetzung in zwei Jahren planen. Eine weitere Tagung in der Wiener Neustadt ist unsere Jubiläumsveranstaltung vom 24. bis 26. Oktober 1987. Wir haben als Tagungsthema die “Gemeinsame Spiritualität von Juden und Christen“ gewählt in dem Bewusstsein, dass die Spiritualität, diese wesentliche Komponente unseres Glaubens und unsers Lebens, Juden und Christen verbindet. Wer an Gott glaubt, sucht auch Begegnung mit Ihm. Die Wege zu dieser Begegnung gehen zwar in manchem auseinander, doch gerade im Gebet und in der Mystik gibt es zwischen Juden und Christen viel Gemeinsames, da wir ja alle den Weg zu dem gleichen Gott suchen. So hoffen wir, dass wir durch diese Tagung uns nicht nur besser kennen lernen, sondern in einer tieferen Dimension unsers Wesens einander begegnen.
Vortrag aus dem Jahr 1987 zum 20-jährigen Bestehen des IDCIV