PAPST BENEDIKT XVI. UND DER JUDE JESUS

Wien. Am 29. März 2012 lud der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu einer ungewöhnlichen Gesprächsrunde an einem außergewöhnlichen Ort: Im jüdischen Gemeindezentrum Wien wurde über die Jesus-Bücher von Papst Benedikt XVI. diskutiert.
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In der von Koordinierungsausschuss-Präsident Prof. Martin Jäggle moderierten Diskussion stand die weltweit positive Reaktion der jüdischen Gemeinschaft auf die Jesus-Bücher von Josef Ratzinger im Mittelpunkt. Es sprachen der Ordinarius für Dogmatische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Jan-Heiner Tück, die in Budapest lehrende evangelisch-lutherischen Bibelwissenschaftlerin Prof. Jutta Hausmann und der Kölner jüdische Publizisten Günther B. Ginzel.
Prof. Tück betonte, dass die Jesus-Bücher des Papstes von der „Absage an jede Form von Antisemitismus“ geprägt seien. Im ersten Band gehe Benedikt XVI. sehr stark auf das 1993 erschienene Buch von Rabbi Jacob Neusner „A Rabbi Talks with Jesus“ ein. Jacob Neusner und Joseph Ratzinger seien sich offensichtlich einig, dass es keinen „Dialog zu ermäßigten Preisen“ unter pragmatischer Ausklammerung der Wahrheitsfrage geben könne. Beide stimmten auch überein in der Wahrnehmung des Anspruches Jesu, wenngleich sie diesen natürlich unterschiedlich bewerten. Im zweiten Band weise der Papst geläufige Vorurteile zurück, etwa wenn er daran erinnere, dass beim Prozess Jesu nicht „die Juden“ seinen Tod verlangten, sondern „Vertreter der Tempelaristokratie“.
Günther B
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. Ginzel plädierte dafür, von der theologischen Auseinandersetzung um die Frage, ob Jesus von Nazareth der Messias ist, abzusehen: „Da kommen wir nicht weiter“. Es gehe vielmehr um einen Dialog im Sinn der „Religion des Tuns, der Tat“. Er erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass es jüdische Gemeinden und Rabbiner waren, die in den USA wesentlich zur Durchsetzung der Bürgerrechte der Farbigen beitrugen. Der Papst stehe für den Dialog, seine Bücher seien geprägt von großer Hochachtung für das Judentum. Trotzdem gebe es vom jüdischen Standpunkt aus auch Einwände: So sei der auf dem Sinai geschlossene Bund für Juden nicht „überhöhbar“. Auch die Relativierung des Tempels beginne nicht erst mit der Zerstörung im Jahr 70, sondern schon mit den Psalmen und Propheten. Schließlich sei der Universalismus in der jüdischen Auffassung immer schon grundgelegt: „Gott war immer Gott aller Völker“.
Die Kirchen seien heute die wichtigsten Verbündeten des jüdischen Volkes im Kampf gegen den Antisemitismus, unterstrich Ginzel. Man müsse aber auch lernen, dass es nicht „einen einzigen Weg zu Gott gibt“.
Jutta Hausmann betonte, dass die Jesus-Bücher des Papstes „starke Aussagen“ zu Schlüsselpunkten des christlich-jüdischen Verhältnisses enthalten: Die Absage an die Substitutionstheorie, die die Kirche an die Stelle des Volkes Israel treten lässt, die Zurückweisung der Vorstellung einer Kollektivschuld am Tod Jesu und die Neuinterpretation des bei Matthäus überlieferten Rufes „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“. Kritisch bewertete die evangelische Theologin die „typologische“ Sichtweise von Elementen des Alten Testaments, die dann „in Christus überhöht“ werden. Es bestehe die Gefahr, dass die Verheißungstexte als „erledigt“ betrachtet werden, weil sie ja erfüllt sind.
Auf dem Hintergrund von bayrischen Erfahrungen sagte Prof. Hausmann, dass im Hinblick auf die Haltung der Christen zu den Juden ein grundlegender Bewusstseinswandel nicht in ein oder zwei Generationen zu schaffen sei.
Erich Leitenberger

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