ABENDGEBET IN DER WERTHEIMER-SYNAGOGE

Eisenstadt. Im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen am 23. Mai besuchten Mitglieder der jüdischen Gemeinde Ödenburg/ Sopron das Österreichische Jüdische Museum und hielten dort das Abendgebet am Schabbat. Die katholische Gemeinde Eisenstadt-Oberberg setzte in der Langen Nacht der Kirchen einen Schwerpunkt in der Begegnung mit dem Judentum.
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Es ist kein Zufall, dass sich ausgerechnet in Eisenstadt das Österreichisch-Jüdische Museum befindet. Das Gebäude war früher Sitz des ungarischen Landesrabbiners Samson Wertheimer. Im Innern befindet sich auch eine kleine Synagoge. Sie konnte dem Zugriff des Naziterrors entzogen werden, weil die christlichen Arbeiter von Sándor Wolf, dem letzten Besitzer des Hauses, die Tür zur Synagoge vernagelten. Heute kann man hier nur sehr selten an einem Gebet oder einem Synagogen-Gottesdienst teilnehmen. Im Zuge der Langen Nacht der Kirchen konnte jedoch heuer zu einem Nachmittagsgebet am Vorabend des Schabbats eingeladen werden. Möglich wurde dies durch die jüdische Gemeinde Sopron. Sie besteht seit zehn Jahren und zählt 35 Mitglieder. Man trifft sich zu den Festen und einmal im Monat zu einem Synagogengottesdienst.
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Neologe Gemeinde. Die jüdische Gemeinde von Sopron versteht sich als neolog, eine Strömung, die sich in Folge des Ausgleichs 1867 entwickelt hat, als Ungarn in der k. u. k. Monarchie zum eigenständigen Königreich wurde. Neologe Juden sind im Gegensatz zu den Orthodoxen aufgeschlossen für Modernisierung und Reformpolitik. Während des Gottesdienstes wird auch Orgel gespielt, Männer und Frauen beten gemeinsam. Neologen betrachten sich in erster Linie als Ungarn. Das Jüdische ist erst in zweiter Linie identitätsstiftend, gesprochen wird Ungarisch, nicht Hebräisch oder Jiddisch. An die Kleiderregeln fühlen sie sich auch nicht gebunden. Nach Frankreich, England und Deutschland hat Ungarn die viertgrößte jüdische Gemeinde in Europa. Aber nur 15.000 sind Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die große Mehrheit zieht es bislang vor, sich öffentlich nicht zu outen. Rund eine Million Juden lebte vor dem Zweiten Weltkrieg in Ungarn, 600.000 von ihnen fanden den Tod in den Gaskammern.
Paul I. Esterházy. Dass sich auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes so viele Juden ansiedeln konnten, verdanken sie Fürst Paul I. Esterházy. Er nahm die vom Kaiser in Wien vertriebenen Juden auf und stattete sie 1690 mit Schutzbriefen aus. So entstanden die „Sheva Kehillot", die sieben Esterházyschen Gemeinden. Die Propsteipfarre Eisenstadt-Oberberg sieht sich diesem besonderen Erbe ihres Gründers, Fürst Paul I. Esterházy, verpflichtet. Er hat nicht nur die aus Wien vertriebenen Juden aufgenommen, sondern auch die Pfarre Eisenstadt-Oberberg errichtet, den Kalvarienberg, die Bergkirche und ein Franziskanerkloster, das heute Bildungshaus ist, in dem jahrelang eine große internationale Judaistik-Studientagung unter der Federführung von Prof. Kurt Schubert stattgefunden hat, erbauen lassen.
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Bergwerk des Glaubens. Propstpfarrer Wilhelm Ringhofer ist der Hüter der barocken Anlage des Eisenstädter Kalvarienberges, die zwischen 1701 und 1709 erbaut wurde. Die Grotten, Gänge und Nischen mit ihren nahezu 200 barocken Holzfiguren bezeichnete der österreichische Schriftsteller Reinhold Schneider in seinem letzten Roman „Winter in Wien" als „Bergwerk des Glaubens". Kalvarienberge ermöglichten es den Gläubigen, die nicht ins Heilige Land reisen konnten, auf eindrucksvolle Weise den Leidensweg Jesu nachzugehen. Man achtete auch auf Besonderheiten, wie die „Heilige Stiege", die angeblich aus dem Palast von Pontius Pilatus stammt und die Jesus bei seinem Prozess betreten haben soll. Sie wurde der Überlieferung nach von der Mutter Kaiser Konstantins, der heiligen Helena, 326 aus Jerusalem nach Rom gebracht. Eine Kopie davon befindet sich im Kalvarienberg von Eisenstadt-Oberberg.
Besonderheit am Oberberg. Der Kalvarienberg von Eisenstadt-Oberberg enthält eine Besonderheit: Die Ankläger Jesu tragen Eisenstädter Bürgertracht. Dahinter steckt keine modische Koketterie, sondern eine tiefe Theologie, die besagt, dass Jesu Tod nicht durch irgendwelche Menschen aus der fernen Vergangenheit verursacht worden ist, sondern wegen unserer Verfehlungen und Unterlassungen.
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Jüdische Barockmusik. Unter dem Motto „Bilder – Klänge – Worte – Zeichen im jüdisch-christlichen Dialog" gab es schließlich in der Langen Nacht der Kirchen ein Konzert jüdischer und christlicher Barockmusik mit Werken von Salamone Rossi, Marcello Benedetto u.a. unter der Mitwirkung des jüdischen Kantors Istvan Gara und des Ensembles „Consilium musicum Josephinum" mit Studierenden und Lehrenden des Joseph Haydn Konservatoriums Eisenstadt unter Regina Himmelbauer.
Bernhard Dobrowsky

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