BESUCH BEI ARIK BRAUER
Wien. Im Rahmen der ökumenischen Vernetzung der Dekanate 13 bis 19 und zum Gedenken an den Novemberpogrom 1938, organisierte Elisabeth Lutter am 9. November einen Besuch bei Arik Brauer unter dem Titel „Arik Brauers neue Haggada".
Dieser Zyklus wurde 2014 anlässlich des 85. Geburtstages von Arik Brauer der Öffentlichkeit vorgestellt. Da ich die 24 Bilder kannte und mich auch in die Texte der Haggada eingelesen hatte, erlaubte ich mir, zu einem Vorbereitungsabend am 6.11. in die Pfarre Weinhaus einzuladen. Es kamen etwa 20 Personen zum gemeinsamen Schauen und zu einem angeregten Gedankenaustausch.
Beim Besuch der Brauer-Villa umfasste unsere Gruppe mehr als 30 Personen. Wir wurden von Monika Kastner, der Sekretärin, empfangen, obwohl im Haus Trauer herrschte: Der langjährige Weggefährte Brauers, Ernst Fuchs, war an diesem Tag gestorben. Leider erfuhren wir auch, dass wir gerade die Haggada-Bilder nicht sehen könnten, da sie verkauft worden waren.
Beim Hinabsteigen in die Galerie, die sich im Keller befindet, entdeckt man sehr frühe Bilder des Künstlers („Wer mit 10 Jahren ein Gesicht erkennbar porträtieren kann, soll Maler werden. Meine Sache ist die Malerei" sagte uns der Meister später). Zunächst sahen wir A. Brauer in einem Video. Er spricht darin von seiner Maltechnik (Schichtmalerei) und seinem Bedürfnis, mit seinen Bildern „Geschichten zu erzählen". Dann hatten wir Zeit, die Galerie zu besichtigen. Besonders beeindruckt waren viele von dem Bild „Mein Vater im Winter", zu dessen Betrachtung sich Arik Brauer selbst zu uns gesellte: eine trotz des hohen Alters vital wirkende Gestalt, mit manchmal humorvoll blitzenden Augen und einer Sprache, die aus einer tiefen inneren Stille zu kommen schien. Zum Bild "Mein Vater im Winter", das 1983/ 84 entstanden war, erzähltre er: Die edle blaue Hülle, die den alten Mann umgibt, erinnert an einen Bericht eines Mitgefangenen, der überlebte: Arik Brauers Vater stand als Letzter in der langen Reihe der Entkleideten, die auf die Gaskammer warteten. Da warf ihm ein SS-Soldat eine Decke über seinen frierenden Körper.
Wir durften Fragen stellen und bekamen u.a. zur Antwort, dass wir „mehr dächten, als er selbst sich bei manchem Bild gedacht habe – es ist so geworden ..." In jüngster Zeit arbeitet er gern „mit Erde": In der Galerie, besonders aber im Garten, stehen Keramikskulpturen, oft mit ironisch-bissigem Inhalt: zB „Rutsch mir den Buckel hinunter". Im abendlichen Dunkel des herbstlichen Gartens beeindruckten besonders zwei Werke: eine riesige orangefarbene Stele, gestaltet aus glasierten Platten zum Thema „Menschenrechte", und noch mehr das neue Mahnmal zur „Kristallnacht": Ein etwa lebensgroßer Rabbi mit zum Himmel erhobenen Armen¸ am ganzen Körper verletzt durch unzählige Glasscherben, die sich in sein Fleisch bohren ...
Wir gingen sehr berührt und bereichert durch diese Begegnung mit Arik Brauer heim, mit der Aussicht, vielleicht im Frühjahr nochmals kommen zu dürfen: an einem „günstigeren Tag", um auch die humorige Seite des Künstlers näher kennen zu lernen.
Gertraude Braun