KIRCHEN UND KULTUSGEMEINDE ADRESSIEREN NATIONALRAT
08/11/17 Erklärung
Am 9. November, einem Datum, das in Österreich dunkle Erinnerungen wach werden lässt, findet in diesem Jahr die konstituierende Sitzung des neu gewählten Nationalrats statt. Mit der ausdrücklichen Zustimmung von Kardinal Christoph Schönborn, Bischof Michael Bünker, Metropolit Arsenios Kardamakis und Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch veröffentlichen wir beiliegenden Offenen Brief; eine Mahnung, dem derzeit wieder aufflammenden Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus im Gedenken an die Geschehnisse des 9. November 1938 Beachtung zu schenken und ihm die Erinnerung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entgegenzusetzen.
Dass sich die größten Kirchen Österreichs gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde äußern, ist ein Zeichen der praktischen Umsetzung des beiderseitigen Wunschs nach verstärkter Zusammenarbeit. Dieser hat zuletzt am Nationalfeiertag seinen Ausdruck in der Überreichung einer rabbinischen Erklärung zu den christlich-jüdischen Beziehungen an Kardinal Schönborn gefunden.
Hier der Wortlaut der Erklärung:
Dass sich die größten Kirchen Österreichs gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde äußern, ist ein Zeichen der praktischen Umsetzung des beiderseitigen Wunschs nach verstärkter Zusammenarbeit. Dieser hat zuletzt am Nationalfeiertag seinen Ausdruck in der Überreichung einer rabbinischen Erklärung zu den christlich-jüdischen Beziehungen an Kardinal Schönborn gefunden.
Hier der Wortlaut der Erklärung:
„Nie wieder“
Die konstituierende Sitzung des neugewählten österreichischen Nationalrats fällt auf den 9. November. Es ist ein Tag der schmerzlichen und bitteren Erinnerung an die vom nationalsozialistischen Regime im Jahr 1938 inszenierte Pogromnacht, bei der tausende österreichische Juden und Jüdinnen beraubt und verhaftet, ja schwer verletzt oder getötet wurden. Es ist ein Tag der schamvollen Erinnerung, die zugleich das oft zitierte, aber immer wieder zu wenig ernstgenommene Wort „Nie wieder“ birgt.
Es geht nicht darum, an die Brust der damaligen Generation zu schlagen, wenngleich vor dem Vergeben das Erinnern mit der schmerzlichen Frage: Wo warst du Kain? notwendig und unverzichtbar ist. Denn diese Frage ist nicht nur hilfreich im Hinblick auf die damalige Situation, sondern auch angesichts neuer Herausforderungen. Die Pogromnacht kam nicht aus heiterem Himmel. Es ging ihr ein jahrzehntelanger, tief in das 19. Jahrhundert hineinreichender Prozess voraus, in dem mit pseudowissenschaftlichen Argumenten dramatische Unterschiede der Menschen konstruiert wurden. Es waren diese absurden Konstruktionen, die im Denken allzu vieler damaligen Zeitgenossen dazu führten, Rechte und Würde ganzer Menschengruppen zu verneinen.
In der Gewissensforschung nach der Katastrophe der Shoah wurde deutlich, dass der Widerstand der Christen gegen dieses Denken viel zu schwach war – und dies, obwohl ihr Glaube die Botschaft von der gleichen Würde aller Menschen auf Grund ihrer Gottebenbildlichkeit enthält. Diese Botschaft ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 in säkularer Form Gemeingut der Menschheit geworden.
Mit Bedrückung erleben wir in den letzten Jahren, dass überwunden geglaubte falsche Denkmuster wieder aufleben. Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus sind nicht nur Themen historischer Analysen vergangener Zeiten, angesichts neuer Entwicklungen flackern wieder Brandherde von Haltungen auf, die erledigt schienen. Das verleiht auch dem Gedenken am 9. November besonderes Gewicht – und sollte dies auch für jene haben, die Politik gestalten.
Das kommende Jahr ist ein Jahr vielfachen Gedenkens. Es ist wünschenswert, dass insbesondere der 9. November – an dem des schmachvollen Tages gedacht wird, an dem jüdische Österreicherinnen und Österreicher ihrer Würde und ihrer Rechte beraubt wurden – und der 10. Dezember – der Jahrestag der Proklamierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – zusammengesehen und entsprechend begangen werden. So kann vor allem die Jugend verstehen, warum Menschen niemals ausgegrenzt werden dürfen.
Am diesjährigen 9. November gedenken viele Christen an unterschiedlichen Orten in Österreich der düsteren Ereignisse jener Nacht und jenes Tages des Jahres 1938. In der Wiener Ruprechtskirche wird am 9. November – wie alljährlich – der Opfer der Pogromnacht gedacht, auch im anschließenden Schweigegang zum Mahnmal auf dem Judenplatz, der zugleich Ziel der Aktion jüdischer Jugendlicher „Light of Hope“ ist.
Und danach werden sich viele Christen aus unterschiedlichen Konfessionen im Wiener Stephansdom versammeln, um in einem ökumenischen Gebet für ein friedliches Miteinander in einem Europa einzutreten, in dem die Menschenrechte respektiert und ernst genommen werden. In diesem Gottesdienst mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch aus den Nachbarländern geht es um Versöhnung, um Solidarität, Frieden und Toleranz in Europa. Im Gedenken an die Opfer der Pogromnacht kann dieses Gebet ein deutliches Bekenntnis der unbedingten Treue zum Grundsatz „Nie wieder“ werden.
Die konstituierende Sitzung des neugewählten österreichischen Nationalrats fällt auf den 9. November. Es ist ein Tag der schmerzlichen und bitteren Erinnerung an die vom nationalsozialistischen Regime im Jahr 1938 inszenierte Pogromnacht, bei der tausende österreichische Juden und Jüdinnen beraubt und verhaftet, ja schwer verletzt oder getötet wurden. Es ist ein Tag der schamvollen Erinnerung, die zugleich das oft zitierte, aber immer wieder zu wenig ernstgenommene Wort „Nie wieder“ birgt.
Es geht nicht darum, an die Brust der damaligen Generation zu schlagen, wenngleich vor dem Vergeben das Erinnern mit der schmerzlichen Frage: Wo warst du Kain? notwendig und unverzichtbar ist. Denn diese Frage ist nicht nur hilfreich im Hinblick auf die damalige Situation, sondern auch angesichts neuer Herausforderungen. Die Pogromnacht kam nicht aus heiterem Himmel. Es ging ihr ein jahrzehntelanger, tief in das 19. Jahrhundert hineinreichender Prozess voraus, in dem mit pseudowissenschaftlichen Argumenten dramatische Unterschiede der Menschen konstruiert wurden. Es waren diese absurden Konstruktionen, die im Denken allzu vieler damaligen Zeitgenossen dazu führten, Rechte und Würde ganzer Menschengruppen zu verneinen.
In der Gewissensforschung nach der Katastrophe der Shoah wurde deutlich, dass der Widerstand der Christen gegen dieses Denken viel zu schwach war – und dies, obwohl ihr Glaube die Botschaft von der gleichen Würde aller Menschen auf Grund ihrer Gottebenbildlichkeit enthält. Diese Botschaft ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 in säkularer Form Gemeingut der Menschheit geworden.
Mit Bedrückung erleben wir in den letzten Jahren, dass überwunden geglaubte falsche Denkmuster wieder aufleben. Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus sind nicht nur Themen historischer Analysen vergangener Zeiten, angesichts neuer Entwicklungen flackern wieder Brandherde von Haltungen auf, die erledigt schienen. Das verleiht auch dem Gedenken am 9. November besonderes Gewicht – und sollte dies auch für jene haben, die Politik gestalten.
Das kommende Jahr ist ein Jahr vielfachen Gedenkens. Es ist wünschenswert, dass insbesondere der 9. November – an dem des schmachvollen Tages gedacht wird, an dem jüdische Österreicherinnen und Österreicher ihrer Würde und ihrer Rechte beraubt wurden – und der 10. Dezember – der Jahrestag der Proklamierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – zusammengesehen und entsprechend begangen werden. So kann vor allem die Jugend verstehen, warum Menschen niemals ausgegrenzt werden dürfen.
Am diesjährigen 9. November gedenken viele Christen an unterschiedlichen Orten in Österreich der düsteren Ereignisse jener Nacht und jenes Tages des Jahres 1938. In der Wiener Ruprechtskirche wird am 9. November – wie alljährlich – der Opfer der Pogromnacht gedacht, auch im anschließenden Schweigegang zum Mahnmal auf dem Judenplatz, der zugleich Ziel der Aktion jüdischer Jugendlicher „Light of Hope“ ist.
Und danach werden sich viele Christen aus unterschiedlichen Konfessionen im Wiener Stephansdom versammeln, um in einem ökumenischen Gebet für ein friedliches Miteinander in einem Europa einzutreten, in dem die Menschenrechte respektiert und ernst genommen werden. In diesem Gottesdienst mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch aus den Nachbarländern geht es um Versöhnung, um Solidarität, Frieden und Toleranz in Europa. Im Gedenken an die Opfer der Pogromnacht kann dieses Gebet ein deutliches Bekenntnis der unbedingten Treue zum Grundsatz „Nie wieder“ werden.