LUTHER UND DIE JUDEN
19/06/14 Lokalkomitee Graz | Praxis
Graz. In der evangelischen Gemeinde Graz-Heilandskirche war im Mai und Juni 2014 die Ausstellung „'Drum immer weg mit ihnen.' Martin Luthers Sündenfall gegenüber den Juden" zu sehen. Professor Frank Crüsemann sprach bei der Eröffnung zu „500 Jahre Reformation – Luther, die Juden und wir".
Das Grazer Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit hat diese besondere Ausstellung nach Graz geholt. Sie thematisiert die Judenfeindlichkeit Luthers von seinen Anfängen bis zu den Spätschriften. Im Vorlauf des 500-jährigen Jubiläums der Reformation, welches im Jahr 2017 feierlich begangen wird, sei es notwendig, auch die dunklen Seiten des Reformators zu beleuchten, so Sabine Maurer, die Vorsitzende des Grazer Komitees, in ihren einleitenden Worten zur Eröffnung der Ausstellung am 6. Mai 2014 in der Heilandskirche. So ganz einfach sei das zwar nicht, sich dieser Geschichte zu stellen, gehe es doch dabei um unsere Identität, die der evangelischen Kirchen und evangelischer Christinnen und Christen. Viel sei zwar schon geschehen - die Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H.B. habe im Jahr 1998 eine Erklärung „Zeit zur Umkehr" verabschiedet, die die antisemitischen Aussagen Martin Luthers verwerfe - dennoch müsse diese Auseinandersetzung weitergehen. Sie wäre sicher auch ganz im Sinne Martin Luthers, der in seiner ersten der berühmten 95 Thesen gesagt habe: „Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: Tut Buße, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei."
Die Ausstellung war vom Evangelischen Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau erstellt worden und wurde auf Initiative von Sabine Maurer das erste Mal in Österreich gezeigt. Die Evangelische Pfarrgemeinde Heilandskirche ermöglichte, dass die Ausstellung im Kirchenraum vom 6. Mai bis 15. Juni frei zugänglich war und brachte damit auch zum Ausdruck, dass sie sich den schwierigen Themen der evangelischen Kirchengeschichte weiterhin stellt, wie Pfarrerin Ulrike Frank-Schlamberger betonte.
JUDENFEINDLICHKEIT IM KERN: DIE RECHTFERTIGUNGSLEHRE
Mit einem Vortrag des renommierten Professors für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Bethel von 1980 bis 2004, Frank Crüsemann, wurde die Ausstellung eröffnet. In der ausgesprochen gut besuchten Kirche sprach er zum Thema „500 Jahre Reformation – Luther, die Juden und wir". Seine These, nach der neu gewonnen Haltung der Evangelischen Kirchen zum Judentum nach 1945 sei ein neuer, ein zweiter Schritt notwendig: Die Aufarbeitung der Wurzeln der antijüdischen Haltung am schmerzlichsten Punkt, nämlich dem Kern der reformatorischen Theologie, der Rechtfertigungslehre. Denn die reformatorische Rechtfertigungslehre sei vom Ursprung her aufs engste mit einer massiven Verurteilung des Judentums verbunden.
Aus diesem Grund erörterte Frank Crüsemann ausführlich das vierfache „Allein" der reformatorischen Theologie: „allein die Schrift", „allein Christus", „allein der Glaube" und „allein die Gnade". Jeder dieser Aussagen liege das theologisch Entscheidende in der Schrift, also der Bibel Israels, voraus und zugrunde. Insgesamt sei die Rechtfertigungslehre, das Kernstück der Reformation, zwar zutiefst biblisch, aber eben auch nur ein Ausschnitt aus einem großen Ganzen. Alles auf die Rechtfertigung der Sünder abzustellen, sei nach Crüsemann eine Engführung, die nicht auf dem biblischen Menschenbild beruhe und fragwürdige Folgen gehabt habe. Dies zeige die schreckliche Geschichte von Hass und Verfolgung der Kirche gegenüber dem Judentum.
Die Gnade Gottes richte sich auf alle Menschen, nicht nur auf diejenigen, die den „richtigen" Glauben haben. Die Gnade werde nicht kleiner, sondern größer, wenn man sie auf das Menschsein als Ganzes richtet, wie es im Alten Testament, nicht nur im Psalm 8, ausgesprochen wird: Alle Menschen sind und bleiben uneingeschränkt Ebenbilder Gottes und sind in ihren Wegen und Lebensformen von Gott geleitet, so Crüsemann.
Anschließend an den Vortrag gab es noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. In Gesprächen bei Brot und Wein klang der interessante und zum Nachdenken anregende Abend im Gemeindesaal aus.
Sabine Maurer
WEBTIPPS
Ausstellung im Internet
www.imdialog.org/ausstellungen/luther/index_5.htm
Textsammlung zum Thema „Martin Luther und die Juden"
www.schalomnet.de/fotoaus/luther/materialien/schattenseite.pdf
Aufsatzsammlung der VELKD
www.velkd.de/downloads/Texte_168_Luthers__Schriften_ueber_die_Juden_download.pdf
Verleih der Ausstellung
Beim Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit Unterstützung des Evangelischen Oberkirchenrats AB Bildung
Die Ausstellung war vom Evangelischen Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau erstellt worden und wurde auf Initiative von Sabine Maurer das erste Mal in Österreich gezeigt. Die Evangelische Pfarrgemeinde Heilandskirche ermöglichte, dass die Ausstellung im Kirchenraum vom 6. Mai bis 15. Juni frei zugänglich war und brachte damit auch zum Ausdruck, dass sie sich den schwierigen Themen der evangelischen Kirchengeschichte weiterhin stellt, wie Pfarrerin Ulrike Frank-Schlamberger betonte.
JUDENFEINDLICHKEIT IM KERN: DIE RECHTFERTIGUNGSLEHRE
Mit einem Vortrag des renommierten Professors für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Bethel von 1980 bis 2004, Frank Crüsemann, wurde die Ausstellung eröffnet. In der ausgesprochen gut besuchten Kirche sprach er zum Thema „500 Jahre Reformation – Luther, die Juden und wir". Seine These, nach der neu gewonnen Haltung der Evangelischen Kirchen zum Judentum nach 1945 sei ein neuer, ein zweiter Schritt notwendig: Die Aufarbeitung der Wurzeln der antijüdischen Haltung am schmerzlichsten Punkt, nämlich dem Kern der reformatorischen Theologie, der Rechtfertigungslehre. Denn die reformatorische Rechtfertigungslehre sei vom Ursprung her aufs engste mit einer massiven Verurteilung des Judentums verbunden.
Aus diesem Grund erörterte Frank Crüsemann ausführlich das vierfache „Allein" der reformatorischen Theologie: „allein die Schrift", „allein Christus", „allein der Glaube" und „allein die Gnade". Jeder dieser Aussagen liege das theologisch Entscheidende in der Schrift, also der Bibel Israels, voraus und zugrunde. Insgesamt sei die Rechtfertigungslehre, das Kernstück der Reformation, zwar zutiefst biblisch, aber eben auch nur ein Ausschnitt aus einem großen Ganzen. Alles auf die Rechtfertigung der Sünder abzustellen, sei nach Crüsemann eine Engführung, die nicht auf dem biblischen Menschenbild beruhe und fragwürdige Folgen gehabt habe. Dies zeige die schreckliche Geschichte von Hass und Verfolgung der Kirche gegenüber dem Judentum.
Die Gnade Gottes richte sich auf alle Menschen, nicht nur auf diejenigen, die den „richtigen" Glauben haben. Die Gnade werde nicht kleiner, sondern größer, wenn man sie auf das Menschsein als Ganzes richtet, wie es im Alten Testament, nicht nur im Psalm 8, ausgesprochen wird: Alle Menschen sind und bleiben uneingeschränkt Ebenbilder Gottes und sind in ihren Wegen und Lebensformen von Gott geleitet, so Crüsemann.
Anschließend an den Vortrag gab es noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. In Gesprächen bei Brot und Wein klang der interessante und zum Nachdenken anregende Abend im Gemeindesaal aus.
Sabine Maurer
WEBTIPPS
Ausstellung im Internet
www.imdialog.org/ausstellungen/luther/index_5.htm
Textsammlung zum Thema „Martin Luther und die Juden"
www.schalomnet.de/fotoaus/luther/materialien/schattenseite.pdf
Aufsatzsammlung der VELKD
www.velkd.de/downloads/Texte_168_Luthers__Schriften_ueber_die_Juden_download.pdf
Verleih der Ausstellung
Beim Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit Unterstützung des Evangelischen Oberkirchenrats AB Bildung