TORA-STUDIENTAGE: ABRAHAM UND SARA

Köszeg/ Güns. Als "Vater vieler Nationen" spielt der biblische Stammvater Abraham heute eine herausragende Rolle im interreligiösen Dialog. Die diesjährigen Tora-Studientage des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit verglichen die rabbinische Deutung der Erzählungen von Abraham und Sara mit den zeitgleichen Interpretationen der Kirchenväter.
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Zum vierten Mal fanden heuer die christlich-jüdischen Tora-Studientage im ungarischen Städtchen Köszeg/ Güns am Fuß des Geschriebensteins statt. Über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Ungarn, Serbien und Österreich waren dazu ins Missionshaus der Steyler Missionare/ Verbiten gekommen.
Ausgehend von der genauen Lektüre des Texts im Buch Bereschit/ Genesis diskutierte die Gruppe die sich daraus ergebenden Fragestellungen. Die an der evangelischen Universität in Budapest lehrende Alttestamentlerin Jutta Hausmann leitete die schrittweise Aneignung der Abschnitte mit den Methoden der historisch-kritischen Bibelwissenschaft an. Die Salzburger Judaistik-Professorin Susanne Plietzsch und der an der Universität Szombathely wirkende Germanist Michael Riszovannij stellten dazu Kommentare und Diskussionen aus Midrasch und Talmud sowie Raschi vor. Die katholische Wiener Alttestamentlerin Agnethe Siquans und der wissenschaftliche Assistent der Theologischen Kurse, Oliver Achilles, präsentierten entsprechende Deutungen der Kirchenväter, die bisweilen durchaus auch in Auseinandersetzung mit jüdischen Interpretationen entstanden sind. Rabbiner Tamas Róna aus Kecskémet stellte anhand der klassischen Dimensionen "Pardes" der Tora-Interpretation die Zusage des ewigen Bundes an Abraham vor: Der erste Konsonant P steht für Pschat, die einfache, wörtliche Bedeutung. Der zweite Konsonant R steht für Remes, d.h. Anspielung, Allegorie. D steht für Drasch: interpretative, homiletische Bedeutung. Der letzte Konsonant S steht für Sod, d.h. Geheimnis, und enthält mystische Bedeutungen.
Besondere Aufmerksamkeit widmete die Gruppe den Frauengestalten Sara und Hagar. Erhellend war auch die Einsicht in die zentrale Rolle der Erzählung von der Bindung Isaaks, der "Akeda", bei der Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu im christlichen Neuen Testament.
Im Dialog mit dem biblischen Text und den Argumenten der Tradition entwickelten die Teilnehmerinnen und Teilnhmer Ecksteine für eine mögliche aktuelle Bedeutsamkeit der Erzählungen von Abraham und Sara. Neben der Theologie nahm der Dialog innerhalb der Gruppe über Länder- und Sprachgrenzen hinweg eine zentrale Rolle ein. "Für die Tora-Studientage ist kennzeichnend, dass wir die jüdische Tradition des Lernens und Diskutierens in einer Region praktizieren, die einmal von reichem jüdischen Leben geprägt war", erklärt Koordinierungsausschuss-Geschäftsführer Markus Himmelbauer: "Dies ist ein lebendiger Baustein der Erinnerung und ein konkreter Schritt der nachbarschaftlichen Annäherung im Donauraum."
Eine Exkursion führte die Gruppe ins benachbarte Rechnitz, wo der jüdische Friedhof und das Mahnmal Kreuzstadl besucht wurden.
Markus Himmelbauer
Die Tagung wurde unterstützt von der Stiftung Biblia (Klosterneuburg), der evangelischen Superintendenz Burgenland und den Spenderinnen und Spendern des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Danke!

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