600 Jahre Wiener Gesera und Nationale Strategie gegen Antisemitismus

Stellungnahme des Vorstandes vom 4.März 2021

Wir gedenken der Opfer der Wiener Gesera, die mit der Verbrennung von über 200 jüdischen Wienerinnen und Wiener auf dem Scheiterhaufen auf der Gänseweide in Wien Erdberg am 12. März 1421 ihren mörderischen Abschluss fand.

Wir erinnern an die Verquickung von Politik und Theologie, die damals zu Zwangstaufen, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Wiens geführt hat. In der Wiener Gesera wurde das jüdische Leben in Wien vernichtet und zugleich bildet sie den ersten Höhepunkt einer langen Geschichte der Judenfeindschaft und des Antisemitismus in Wien.

Wir sind dankbar für das nach der Shoa wieder aufgeblühte jüdische Leben in Wien.

Wir danken der Universität Wien und der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für die erste Gedenkfeier seit 600 Jahren, die am 12.3.2021 auf jenem Platz stattfinden wird, wo die Synagoge der so bedeutenden Wiener jüdischen Gemeinde gestanden ist.

Wir sind in unserer Arbeit ermutigt von der Bereitschaft der Kirchen und ihrer Theologie, zu ihrer Mitverantwortung für Judenfeindschaft und Antisemitismus sowie deren Exzessen zu stehen und sich für jüdisches Leben heute sowie gegen Antisemitismus einzusetzen.

Wir begrüßen die Nationale Strategie gegen Antisemitismus der Bundesregierung. Damit setzt Österreich einen weiteren notwendigen Schritt auf dem Weg, seiner historischen und gegenwärtigen Verantwortung gerecht zu werden. Besonders positiv ist die langfristige Absicherung jüdischen Lebens in Österreich als Teil der Nationalen Strategie, die drei Ziele verfolgt:

- den Fortbestand von jüdischem Leben in Österreich langfristig abzusichern,
- Antisemitismus in allen seinen Formen einzudämmen,
- Bewusstsein für das Erkennen von alltäglichem Antisemitismus zu schaffen.

Die „Zusammenarbeit mit den Kirchen und Religionsgesellschaften“ und deren „Aufgabe gegenüber ihren Mitgliedern, aber auch durch Erklärungen und Kooperationen im öffentlichen Diskurs“ wird betont. Die Selbstverpflichtung der Kirchen in der Charta Oecumenica wird in Erinnerung gerufen, „allen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten“ und „auf allen Ebenen den Dialog mit unseren jüdischen Geschwistern zu suchen und zu intensivieren.“ Die bisherige Arbeit der Kirchen und Religionsgesellschaften wird beispielhaft beschrieben (Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, israelitische Religionsgesellschaft, Tag des Judentums, KPH Wien/Krems, „Marko-Feingold-Gastprofessur“, Cafè Abraham, feiertagsgruss.at). Vorgesehen ist die „Nachhaltige Unterstützung von Projekten der Kirchen und Religionsgesellschaften zur Förderung des Abbaus von Vorurteilen und der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“

Wir weisen auf die tiefen gesellschaftlichen und kulturellen Wurzeln von Judenfeindschaft und Antisemitismus hin. Das macht oberflächliche und kurzfristige Aktivitäten für deren Bekämpfung untauglich. Es müssen auch andere Formen der ethnischen Diskriminierung (z.B. rassistisch motivierte, religiös begründete) in den Blick genommen werden und es bedarf bei allem eines langen Atems.

Auch wenn wir die Ziele der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus vorbehaltlos begrüßen, so vermissen wir dennoch die für ihre Umsetzung erforderlichen Strukturen und finanziellen Mittel. Wir arbeiten als älteste interreligiöse Organisation Österreichs seit 65 Jahren gegen Antisemitismus und sind bereit, uns an der Umsetzung der Nationalen Strategie engagiert zu beteiligen.

Univ. Prof.i.R. Dr. Martin Jäggle Präsident

Dr. Margit Leuthold Vizepräsidentin

Dr. Willy Weisz Vizepräsident

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