"SIEHE, ICH HABE DIR GEBOTEN, DASS DU GETROST UND FREUDIG SEIST" (JOS. 1,9)
26/01/01 Hedwig Wahle
Ulrich Trinks erinnert sich an Sr. Hedwig Wahle
Beim Nachdenken zur Erinnerung an Schwester Dr. Hedwig Wahle ist mir das Zitat aus dem Josua-Buch immer wieder in die Quere gekommen – mit diesem Zuspruch bin ich 1945 konfirmiert worden. Auch alles, was ich an Erlebnissen mit Schwester Hedwig in meinem Gedächtnis wiederfinde, mündet in dieser Zusage, ganz abgesehen davon, dass dieser Text Josua in der Nacht vor dem Übergang über den Jordan ermutigen sollte. Auch aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang gelöst bleibt diese Zusage wirksam, weil sie in unüberholbarer Weise beide Elemente der Gottesbeziehung enthält: Das Gebot – Tora – und die feste Zukunftshoffnung.
Im Zusammenhang mit meiner Übersiedlung von Graz nach Wien zur Beteiligung am Aufbau des Albert-Schweitzer-Hauses im Jänner 1962 trat ich auch in den Kreis des Christlich-Jüdischen Koordinierungsausschusses ein, dessen damaliges evangelisches Präsidiumsmitglied Univ.Prof. DDr. Wilhelm Dantine war. Der Ausschuss war ein offener Gesprächskreis, der sich zu interessanten Vorträgen unter der sachkundigen Leitung von Univ.Prof. Dr. Kurt Schubert regelmäßig in den Räumen des Katholischen Akademikerverbandes traf. Mein Interesse an diesem Themenbereich war schon Jahre vorher auch aus biografischen Gründen geweckt und konnte nun fast in der Art eines Lehrhauses fortgesetzt werden. Wenige Jahre später trat ich auch der Aktion gegen den Antisemitismus bei und wurde zunächst als Stellvertreter und dann Nachfolger von Frau Lucie Begov Generalsekretär dieser Einrichtung.
Beim Nachdenken zur Erinnerung an Schwester Dr. Hedwig Wahle ist mir das Zitat aus dem Josua-Buch immer wieder in die Quere gekommen – mit diesem Zuspruch bin ich 1945 konfirmiert worden. Auch alles, was ich an Erlebnissen mit Schwester Hedwig in meinem Gedächtnis wiederfinde, mündet in dieser Zusage, ganz abgesehen davon, dass dieser Text Josua in der Nacht vor dem Übergang über den Jordan ermutigen sollte. Auch aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang gelöst bleibt diese Zusage wirksam, weil sie in unüberholbarer Weise beide Elemente der Gottesbeziehung enthält: Das Gebot – Tora – und die feste Zukunftshoffnung.
Im Zusammenhang mit meiner Übersiedlung von Graz nach Wien zur Beteiligung am Aufbau des Albert-Schweitzer-Hauses im Jänner 1962 trat ich auch in den Kreis des Christlich-Jüdischen Koordinierungsausschusses ein, dessen damaliges evangelisches Präsidiumsmitglied Univ.Prof. DDr. Wilhelm Dantine war. Der Ausschuss war ein offener Gesprächskreis, der sich zu interessanten Vorträgen unter der sachkundigen Leitung von Univ.Prof. Dr. Kurt Schubert regelmäßig in den Räumen des Katholischen Akademikerverbandes traf. Mein Interesse an diesem Themenbereich war schon Jahre vorher auch aus biografischen Gründen geweckt und konnte nun fast in der Art eines Lehrhauses fortgesetzt werden. Wenige Jahre später trat ich auch der Aktion gegen den Antisemitismus bei und wurde zunächst als Stellvertreter und dann Nachfolger von Frau Lucie Begov Generalsekretär dieser Einrichtung.
NACHKONZILIARER AUFBRUCH
In dieser doppelten organisatorischen Beteiligung begegnete ich Schwester Hedwig, die damals mit aller Entschiedenheit an der Erneuerung der christlichen Religionsbücher zunächst in Österreich arbeitete. Mit der ersten Tagung zu diesem Thema im Stift Klosterneuburg und der anschließenden Publikation der Vorträge in einem Buch, begann für mich nicht nur die ständige Zusammenarbeit, sondern auch die Entwicklung eines Bildungsschwerpunktes. Während ich als Generalsekretär der Aktion gegen den Antisemitismus elf Jahre lang einmal jährlich ein mehrtätiges Seminar für Lehrerinnen und Lehrern aller Schulstufen und schließlich auch Erzieherinnen und Erziehern zum Abbau von Vorurteilen und Feindbildern im Unterricht veranstalten konnte, blieb selbstverständlich auch der Ansatz im Religionsunterricht beider Konfessionen wichtig. Die gemeinsame Vertretung Österreichs im Internationalen Rat der Christen und Juden brachte sodann ganz von selbst eine enge sachliche Gemeinsamkeit, wobei wir beide jeweils im Angesicht lebendigen Judentums auch unsere konfessionellen Unterschiede bearbeiten konnten.
Hilfreich war an dieser Stelle natürlich meine langjährige Mitarbeit als Leiter der Evangelischen Akademie in Wien bei den konzilsbegleitenden und -nachfolgenden großen Veranstaltungen als „ökumenischer Gast“. So ist zum Beispiel auch die Broschüre mit den Empfehlungen der gesamtösterreichischen Pastoralkommission zur Darstellung des Judentums und des christlich-jüdischen Verhältnisses in der Katechetik entstanden. Hier haben wir gemeinsam vom Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit jene offene partnerschaftliche Linie im Sinne des „ungekündigten Bundes“ einzubringen versucht und sogar eine positive Stellung zu den Problemen des Staates Israel einbezogen. Diese gemeinsame Bemühung erfuhr damals soviel Kritik, dass wir uns aus der Weiterarbeit der dafür gebildeten Arbeitsgruppe zurückgezogen haben, was Schwester Hedwig sehr bitter empfand.
Auch die Revision der Religionsbücher war nicht nur eine mühsame Überzeugungsarbeit, sondern auch eine kirchenpolitisch noch nicht selbstverständliche Sache. Hedwig blieb aber unermüdlich an diesem Thema und erweiterte es in der letzten Phase ihrer Arbeit in der Burggasse um die Erneuerung und Erläuterung der Liturgie, etwa in der Passionswoche. Alle diese Unternehmungen wurden gemeinsam besprochen und waren ja auch institutionell dadurch untereinander verknüpft, dass Schwester Hedwig und ich wechselseitig Mitglieder der jeweiligen Vorstände der genannten Einrichtungen waren.
In dieser Gemeinsamkeit haben wir auch die österreichische Vertretung in den Gremien und Arbeitsgruppen des Internationalen Rates wahrgenommen und dabei sowohl einige Erfolge, wie auch zahlreiche Niederlagen erfahren. Auch hier blieb Schwester Hedwig unermüdlich, nachdrücklich und daher auch ohne die sonst übliche Taktiererei.
BRILLIANTE INTELLIGENZ UND GROSSARTIGER MUT
Schwester Hedwig war von brillanter Intelligenz geprägt und daher bemüht, Neues zu lernen und die neuen Einsichten auch unverzüglich umzusetzen.
Ihre Leistungen für die Programme des Burggassen-Zentrums mit den Vorträgen und ihrer Publikation und vor allen Dingen für die Gründung der Zeitschrift „Dialog - Du Siach“ sind hinreichend belegt. Die Erweiterung ihrer ursprünglichen naturwissenschaftlichen Ausbildung um Judaistik und Theologie war ebenso fruchtbar für ihre unmittelbare Arbeit im Umgang mit Menschen, wie die Leichtigkeit mit der sie die neuen elektronische Medien für ihre Arbeit heranzog – so schenkte sie mir noch im letzten Jahr meiner aktiven Zeit ein von ihr formatiertes Bibliotheksprogramm, das auch die umfangreiche Dokumentation umfasste, weil die Bibliothek ihres Zentrums (nunmehr von der Kongregation dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu treuen Händen überlassen) mit der der Evangelischen Akademie strukturell große Ähnlichkeit hatte. Es gehört zu meinen persönlichen Defiziten, dass ich, nur wenig älter als Schwester Hedwig, trotz ihres freundlichen Zuredens und sachkundigen Beratens einen solchen Schritt nicht mehr mitvollzogen habe.
Ich sprach gerade von dem Nachdruck mit dem Schwester Hedwig ihre Meinungen und Erfahrungen vertrat. Sie war gar nicht der Typ des oft von außen behaupteten Klischees einer „lieben, frommen, dienstbereiten Ordensschwester“. Sie war dies alles, aber ihr Naturell, viel mehr aber noch ihre Biografie, hatten sie in vielfältiger Weise unbedingt gemacht: Voller Zuneigung und Freundlichkeit zu unzähligen Menschen, die im Ordenshaus und in der Begegnung mit ihr Rat und Hilfe suchten, aber auch voll großartigem Mut und oft scharfer Reaktion wenn es um Anzeichen von Unverständnis oder gar Judenfeindschaft ging. Weil sie die Erneuerung einer christlichen Theologie und kirchlichen Praxis als konstitutiv für den christlichen Glauben überhaupt hielt, litt sie besonders unter der zähen Unbeweglichkeit gerade auch in der Umsetzung der konziliaren und nachkonziliaren Erkenntnisse in die kirchliche Praxis. So konnte sie auch in dieser Situation ungeduldig werden. Gerade weil sie selbst so etwas nie für sich in Anspruch genommen hätte, kann ich als freundschaftlicher Lebensbegleiter diese, ihre, oft als harsch empfundene Art mit dem „Eifer“ vergleichen, den die alten Propheten aufgetragen bekommen hatten.
Schließlich sollten wir ehrlich genug sein, auch zuzugeben, dass wir in meiner Generation erst mühsam lernen mussten, die Gleichwertigkeit der Frau in allen Dingen der Welt und der Kirche anzuerkennen und für uns Männer eine Absage an die Dominanz nicht nur zu erklären, sondern auch zu praktizieren. Auch in den internationalen Organisationen in denen wir zusammen tätig waren, war das keineswegs selbstverständlich, und die ständigen Erklärungen von sachkundiger jüdischer Seite, das herkömmliche Bild von der unterdrückten jüdischen Frau sei falsch, vielmehr das Gegenteil wahr, hat bis heute noch viel Revisionsbedarf gelassen – man denke nur an die Stellung von Frauen in der theologischen Gelehrsamkeit ebenso, wie in den Funktionen der Gemeindeleitung, sei es im katholischen Klerus oder im jüdischen Rabbinat.
Schwester Hedwig hat nicht ohne Widerspruch ihre Existenz als Ordensschwester gelebt. Sie war aber mit ganzem Herzen und tiefem Glauben an die Sinnhaftigkeit ihrer Ordensexistenz gebunden. Als die Niederlassung in Wien geschlossen wurde und die zum Teil hochbetagten Schwestern in den wohlverdienten Ruhestand gehen durften, blieb mit den zwei noch aktiven Schwestern eine so kleine Gruppe über, dass Schwester Hedwig – ganz abgesehen von den organisatorischen Problemen der Kongregation – zwar nicht aus Wien fort, aber doch gerne an einen Ort ging, an dem sie eine wirkliche Schwesterngemeinschaft erleben konnte. In den letzten Jahren ihrer Wiener Existenz waren ja die Ausbrüche ihrer schweren Krankheit immer wieder eine Mahnung, ihre Arbeit so einzuteilen, dass sie möglichst lange Zeit noch ihren Dienst versehen konnte. In diesem Sinne war sie wirklich auch eine Zeugin einer tapferen, frommen und dienstbereiten Frauenexistenz. Für mich bedeutete bis zu ihrem Tode der vertrauensvolle Umgang unter uns eben auch ein Stück Erfüllung des Gebotes, welches über meinem Beitrag steht.
Ulrich Trinks, 2001