SR. HEDWIG WAHLE (1931–2001) In memoriam: Eine Pionierin des Dialogs
26/01/01 Hedwig Wahle
Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual kann sie berühren. In den Augen der Toren sind sie gestorben, ihr Heimgang gilt als Unglück, sie aber sind in Frieden. In den Augen der Menschen wurden sie gestraft, doch ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit.
Weish 3
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag verstarb Sr. Mag. Dr. Hedwig-Anna Wahle nach langer schwerer Krankheit in London. Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit verliert mit Schwester Hedwig eine Pionierin der christlich-jüdischen Verständigung in unserem Lande. Sie war Gründerin und langjährige Leiterin des „Informationszentrums im Dienst der christlich-jüdischen Verständigung“ IDCIV, Vorstandsmitglied der „Aktion gegen den Antisemitismus“ und von 1974 bis 1993 geschäftsführende Präsidentin des „Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit“.
Sr. Hedwig wurde 1931 als Anna Wahle in Wien als Tochter des damaligen Oberlandesgerichtsrates und Richters Karl Wahle und der Versicherungsmathematikerin Hedwig Wahle geboren. Da ihre Familie jüdischer Abstammung, aber bereits getauft war, wurde sie von ihren Eltern 1939 nach England geschickt, wo sie bis 1950 in mehreren Klöstern und Schulen der Sionsschwestern blieb. Nach ihrer Rückkehr nach Wien studierte sie Mathematik und Physik, legte 1954 die Lehramtsprüfung ab und unterrichtete an mehreren Wiener Schulen. 1955 trat sie in die Wiener Kongregation der Sionsschwestern ein und nahm den Namen Hedwig an. 1962 bis 1964 verbrachte sie zwei Jahre in Paris, wo sie Hebräisch zu lernen und sich mit der Judaistik zu beschäftigten begann. 1964 inskribierte sie Judaistik an der Wiener Universität und promovierte 1971 mit einer Dissertation über Probleme der rabbinischen Anthropologie. Neben der Leitung des IDCIV studierte sie auch noch katholische Theologie und sponsierte 1982 mit der Diplomarbeit Die Bedeutung der Methode des alttestamentarischen Unterrichts für die Darstellung des Judentums. Seither war sie auch als Religionslehrerin an höheren Schulen tätig.
1967 gründete Sr. Hedwig im Auftrag der Kongregation das „Informationszentrum im Dienst der christlich-jüdischen Verständigung“ in der Burggasse, das sie bis 1991 neben ihrer Berufstätigkeit am Gymnasium ehrenamtlich leitete. 1966 war Hedwig Wahle im Anschluss an das Konzilsdekret „Nostra Aetate“ an der Überprüfung der Religionsbücher auf judenfeindliche Inhalte beteiligt, 1970 bereitet sie mit Kurt Schubert, Otto Mauer und Erika Weinzierl eine Erklärung vor, die von der Wiener Diözesansynode ohne Gegenstimme angenommen wurde. Sie enthielt eine der für die damalige Zeit deutlichsten Verurteilungen des Antisemitismus. In ihr hieß es u. a.: „Existenz und Geschichte des Judentums sind (nach Röm 9-11) für die Christen ein Heilsmysterium, daher müssen die Christen die Existenz auch des heutigen Judentums heilsgeschichtlich verstehen. Mit sicherem Glauben halten wir fest, dass der Neue Bund in Christus die Verheißungen des Alten Bundes nicht außer Kraft gesetzt hat.“
Ab 1975 hat Sr. Hedwig an der Erstellung neuer Lehrpläne für den katholischen Religionsunterricht mit gearbeitet.
1980 veröffentlichte sie das Buch „Das gemeinsame Erbe. Judentum und Christentum in heilsgeschichtlichem Zusammenhang“, das einen Überblick über die Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Christentum, über die Geschichte des christlichen Antisemitismus, über den jüdisch-christlichen Dialog und über die neuere Geschichte des Judentums enthielt. 1986 publizierte sie zusammen mit dem aus Ungarn stammenden Wiener jüdischen Kaufmann Alexander Ronai „Das Evangelium - ein jüdisches Buch? Eine Einführung in die jüdischen Wurzeln des Neuen Testaments“. Die Autoren wollten „einfach einige ausgewählte Stellen der Evangelien miteinander lesen und bei den einzelnen relevanten Versen nur über jene Einzelaspekte des Judentums informieren, die für das Verständnis einer bestimmten Stelle unbedingt notwendig ist. Am Ende wird freilich ein Gesamtbild sowohl über das jüdische Evangelium, als auch über das antike und moderne Judentum entstehen.“
Nach der Schließung der Wiener Ordensniederlassung in der Burggasse 1991 pendelte Sr. Hedwig zwischen Rom und Brüssel hin und her, wo sie durch Kurse, Vorträge und Veröffentlichungen weiterhin die christlich-jüdischen Verständigungsarbeit weiter voran trieb. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in London, wo ihr Bruder als katholischer Priester lebt.
Vielen Menschen konnte Sr. Hedwig durch ihr Engagement im Dienst der christlich-jüdischen Erneuerung eine neue Dimension christlicher Verkündigung nahe bringen. Mit ihrem weiten Freundeskreis in Wien stand sie bis zuletzt in regelmäßiger Verbindung. Dankbar für ihre persönliche Zuwendung und geistigen Impulse, die sie bereichernd für so Viele gesetzt hat, empfehlen wir sie nun Gottes gnädigem Ratschluss. Bei Gott wird sie leben, so, wie in unserer Erinnerung.
Ulrich Trinks, Markus Himmelbauer, 24.08.2001
Sr. Hedwig wurde 1931 als Anna Wahle in Wien als Tochter des damaligen Oberlandesgerichtsrates und Richters Karl Wahle und der Versicherungsmathematikerin Hedwig Wahle geboren. Da ihre Familie jüdischer Abstammung, aber bereits getauft war, wurde sie von ihren Eltern 1939 nach England geschickt, wo sie bis 1950 in mehreren Klöstern und Schulen der Sionsschwestern blieb. Nach ihrer Rückkehr nach Wien studierte sie Mathematik und Physik, legte 1954 die Lehramtsprüfung ab und unterrichtete an mehreren Wiener Schulen. 1955 trat sie in die Wiener Kongregation der Sionsschwestern ein und nahm den Namen Hedwig an. 1962 bis 1964 verbrachte sie zwei Jahre in Paris, wo sie Hebräisch zu lernen und sich mit der Judaistik zu beschäftigten begann. 1964 inskribierte sie Judaistik an der Wiener Universität und promovierte 1971 mit einer Dissertation über Probleme der rabbinischen Anthropologie. Neben der Leitung des IDCIV studierte sie auch noch katholische Theologie und sponsierte 1982 mit der Diplomarbeit Die Bedeutung der Methode des alttestamentarischen Unterrichts für die Darstellung des Judentums. Seither war sie auch als Religionslehrerin an höheren Schulen tätig.
1967 gründete Sr. Hedwig im Auftrag der Kongregation das „Informationszentrum im Dienst der christlich-jüdischen Verständigung“ in der Burggasse, das sie bis 1991 neben ihrer Berufstätigkeit am Gymnasium ehrenamtlich leitete. 1966 war Hedwig Wahle im Anschluss an das Konzilsdekret „Nostra Aetate“ an der Überprüfung der Religionsbücher auf judenfeindliche Inhalte beteiligt, 1970 bereitet sie mit Kurt Schubert, Otto Mauer und Erika Weinzierl eine Erklärung vor, die von der Wiener Diözesansynode ohne Gegenstimme angenommen wurde. Sie enthielt eine der für die damalige Zeit deutlichsten Verurteilungen des Antisemitismus. In ihr hieß es u. a.: „Existenz und Geschichte des Judentums sind (nach Röm 9-11) für die Christen ein Heilsmysterium, daher müssen die Christen die Existenz auch des heutigen Judentums heilsgeschichtlich verstehen. Mit sicherem Glauben halten wir fest, dass der Neue Bund in Christus die Verheißungen des Alten Bundes nicht außer Kraft gesetzt hat.“
Ab 1975 hat Sr. Hedwig an der Erstellung neuer Lehrpläne für den katholischen Religionsunterricht mit gearbeitet.
1980 veröffentlichte sie das Buch „Das gemeinsame Erbe. Judentum und Christentum in heilsgeschichtlichem Zusammenhang“, das einen Überblick über die Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Christentum, über die Geschichte des christlichen Antisemitismus, über den jüdisch-christlichen Dialog und über die neuere Geschichte des Judentums enthielt. 1986 publizierte sie zusammen mit dem aus Ungarn stammenden Wiener jüdischen Kaufmann Alexander Ronai „Das Evangelium - ein jüdisches Buch? Eine Einführung in die jüdischen Wurzeln des Neuen Testaments“. Die Autoren wollten „einfach einige ausgewählte Stellen der Evangelien miteinander lesen und bei den einzelnen relevanten Versen nur über jene Einzelaspekte des Judentums informieren, die für das Verständnis einer bestimmten Stelle unbedingt notwendig ist. Am Ende wird freilich ein Gesamtbild sowohl über das jüdische Evangelium, als auch über das antike und moderne Judentum entstehen.“
Nach der Schließung der Wiener Ordensniederlassung in der Burggasse 1991 pendelte Sr. Hedwig zwischen Rom und Brüssel hin und her, wo sie durch Kurse, Vorträge und Veröffentlichungen weiterhin die christlich-jüdischen Verständigungsarbeit weiter voran trieb. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in London, wo ihr Bruder als katholischer Priester lebt.
Vielen Menschen konnte Sr. Hedwig durch ihr Engagement im Dienst der christlich-jüdischen Erneuerung eine neue Dimension christlicher Verkündigung nahe bringen. Mit ihrem weiten Freundeskreis in Wien stand sie bis zuletzt in regelmäßiger Verbindung. Dankbar für ihre persönliche Zuwendung und geistigen Impulse, die sie bereichernd für so Viele gesetzt hat, empfehlen wir sie nun Gottes gnädigem Ratschluss. Bei Gott wird sie leben, so, wie in unserer Erinnerung.
Ulrich Trinks, Markus Himmelbauer, 24.08.2001