Grußwort Bischof Manfred Scheuer
27/10/21 65
Kaum etwas symbolisiert die lange Tradition des österreichischen Antisemitismus besser als ein kleines Relief am Haus Wien 1, Judenplatz 2, das die schrecklichen Ereignisse dokumentiert, die vor 600 Jahren auf der Gänseweide in Wien geschahen.
Von dem eindrucksvollen Standbild des Aufklärers Gotthold Ephraim Lessings ist an der Fassade des sogenannten „Jordanhauses“, in lateinischer Sprache zu lesen:
Durch den Jordanfluss wird der Leib von Krankheit und Übel gereinigt, da weicht selbst verborgene Sündhaftigkeit. So rast die Flamme sich erhebend durch die ganze Stadt im Jahr 1421 und sühnt die grausamen Verbrechen der jüdischen Hunde. Die Welt wurde einst durch die Sintflut gereinigt, doch diesmal wurde die Schuld in den Flammen gebüßt.
Auf Initiative von Kardinal Christoph Schönborn stiftete die Erzdiözese Wien eine Gedenktafel für das Jordanhaus, die Kardinal Franz König am 29. Oktober 1998 enthüllte. Ihr Text lautet:
„Kiddusch HaSchem“ heißt „Heiligung Gottes“ Mit diesem Bewußtsein wählten Juden Wiens in der Synagoge hier am Judenplatz — dem Zentrum einer bedeutenden jüdischen Gemeinde — zur Zeit der Verfolgung 1420/21 den Freitod, um einer von ihnen befürchteten Zwangstaufe zu entgehen. Andere, etwa 200, wurden in Erdberg auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. Christliche Prediger dieser Zeit verbreiteten abergläubische judenfeindliche Vorstellungen und hetzten somit gegen die Juden und ihren Glauben. So beeinflußt nahmen Christen in Wien dies widerstandslos hin, billigten es und wurden zu Tätern. Somit war die Auflösung der Wiener Judenstadt 1421 schon ein drohendes Vorzeichen für das, was europaweit in unserem Jahrhundert während der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft geschah. Mittelalterliche Päpste wandten sich erfolglos gegen den judenfeindlichen Aberglauben, und einzelne Gläubige kämpften erfolglos gegen den Rassenhaß der Nationalsozialisten. Aber es waren derer zu wenige. Heute bereut die Christenheit ihre Mitschuld an den Judenverfolgungen und erkennt ihr Versagen. „Heiligung Gottes“ kann heute für die Christen nur heißen: Bitte um Vergebung und Hoffnung auf Gottes Heil. 29. Oktober 1998“
Die eindeutige Positionierung gegen Antisemitismus ist eine Frucht des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit: So heißt es in der Erklärung über das christlich-jüdische Selbstverständnis anlässlich der Wiener Diözesansynode 1971, die Kurt Schubert maßgeblich mitgeprägt hat, dass sich „alle Christen von antijüdischen Affekten freihalten und etwaigen antisemitischen Diskriminierungen seitens anderer entgegentreten müssen.“
Von dem eindrucksvollen Standbild des Aufklärers Gotthold Ephraim Lessings ist an der Fassade des sogenannten „Jordanhauses“, in lateinischer Sprache zu lesen:
Durch den Jordanfluss wird der Leib von Krankheit und Übel gereinigt, da weicht selbst verborgene Sündhaftigkeit. So rast die Flamme sich erhebend durch die ganze Stadt im Jahr 1421 und sühnt die grausamen Verbrechen der jüdischen Hunde. Die Welt wurde einst durch die Sintflut gereinigt, doch diesmal wurde die Schuld in den Flammen gebüßt.
Auf Initiative von Kardinal Christoph Schönborn stiftete die Erzdiözese Wien eine Gedenktafel für das Jordanhaus, die Kardinal Franz König am 29. Oktober 1998 enthüllte. Ihr Text lautet:
„Kiddusch HaSchem“ heißt „Heiligung Gottes“ Mit diesem Bewußtsein wählten Juden Wiens in der Synagoge hier am Judenplatz — dem Zentrum einer bedeutenden jüdischen Gemeinde — zur Zeit der Verfolgung 1420/21 den Freitod, um einer von ihnen befürchteten Zwangstaufe zu entgehen. Andere, etwa 200, wurden in Erdberg auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. Christliche Prediger dieser Zeit verbreiteten abergläubische judenfeindliche Vorstellungen und hetzten somit gegen die Juden und ihren Glauben. So beeinflußt nahmen Christen in Wien dies widerstandslos hin, billigten es und wurden zu Tätern. Somit war die Auflösung der Wiener Judenstadt 1421 schon ein drohendes Vorzeichen für das, was europaweit in unserem Jahrhundert während der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft geschah. Mittelalterliche Päpste wandten sich erfolglos gegen den judenfeindlichen Aberglauben, und einzelne Gläubige kämpften erfolglos gegen den Rassenhaß der Nationalsozialisten. Aber es waren derer zu wenige. Heute bereut die Christenheit ihre Mitschuld an den Judenverfolgungen und erkennt ihr Versagen. „Heiligung Gottes“ kann heute für die Christen nur heißen: Bitte um Vergebung und Hoffnung auf Gottes Heil. 29. Oktober 1998“
Die eindeutige Positionierung gegen Antisemitismus ist eine Frucht des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit: So heißt es in der Erklärung über das christlich-jüdische Selbstverständnis anlässlich der Wiener Diözesansynode 1971, die Kurt Schubert maßgeblich mitgeprägt hat, dass sich „alle Christen von antijüdischen Affekten freihalten und etwaigen antisemitischen Diskriminierungen seitens anderer entgegentreten müssen.“
Die Katholische Kirche hat nach der Shoah erkannt, dass es auch ein aus der christlichen Tradition genährter Antisemitismus war, der über Jahrhunderte Tod und Vertreibung von Jüdinnen und Juden zur Folge hatte und der die Gräuel der Nationalsozialisten begünstigte. Die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils „Nostra Aetate“ über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (1965) bedeutet einen Wendepunkt in der Bewertung des christlich-jüdischen Verhältnisses. Für Österreich kommt dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit eine maßgebliche Bedeutung in dem nach 1945 einsetzenden Dialog zu. Und sorgte maßgeblich für eine Weiterentwicklung in dem Sinne, wie die 2001 verstorbene, Pionierin und langjährige Mitwirkende im christlich-jüdischen Dialog, Sr. Hedwig Wahle, es beschrieb: „Der Christ könne im Judentum von heute „nicht bloß ein Zeugnis für das Alte Testament und die Zeit Jesu sehen darf, genausowenig wie der Jude glauben darf, nur er habe dem Christen für seinen Glauben etwas Wesentliches zu sagen, während das, was der Christ sagt, für seinen Glauben keine wesentliche Bedeutung habe. Jeder muss lernen, ‚das Wort des anderen als Zeugnis zu hören, das den Hörenden in seinem Verhältnis zu Gott angeht‘.“
Wir hören und achten so die Erklärung „Zwischen Jerusalem und Rom“ (2017) unserer jüdischen Brüder und Schwestern, worin es heißt: „Die Unterschiede in der jeweiligen Lehre sind wesentlich und können nicht debattiert oder verhandelt werden; ihre Bedeutung und Wichtigkeit sind Bestandteil der internen Erörterungen der jeweiligen Glaubensgemeinschaft. […] Jedoch sollen diese Unterschiede der jeweiligen Lehre unserer friedlichen Zusammenarbeit zum Wohl unserer gemeinsamen Welt und der Kinder des Noach nicht im Weg stehen. Deshalb ist es erforderlich, dass unsere Glaubensgemeinschaften sich weiterhin begegnen, miteinander vertraut werden und das Vertrauen des jeweils anderen gewinnen.“
„Trotz der unüberbrückbaren theologischen Differenzen, betrachten wir Juden die Katholiken als unsere Partner, enge Verbündete und Brüder bei unserer gemeinsamen Suche nach einer besseren Welt, in der Friede, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit herrschen mögen.“
„Trotz grundlegender theologischer Differenzen teilen Katholiken und Juden den gemeinsamen Glauben an den göttlichen Ursprung der Tora und an die Gedanke einer endgültigen Erlösung und heute auch die Überzeugung, dass Religionen durch moralisches Verhalten und religiöse Erziehung ─ nicht aber durch Krieg, Zwang oder gesellschaftlichen Druck – ihren inspirierenden Einfluss ausüben sollen.“
50 Jahre nach „Nostra Aetate“ (2015) blickt die „Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ mit dem Dokument „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (Röm 11,29) dankbar auf alles zurückblicken, was in den letzten Jahrzehnten in den jüdisch-katholischen Beziehungen erreicht worden ist. Zentrale Punkte sind die Beziehung zwischen der Heilsuniversalität Jesu Christi und dem ungekündigten Bundes Gottes mit Israel sowie die Betonung, dass die Katholische Kirche „keine institutionell verankerte Judenmission“ kenne. Als Judenmission bezeichnet man eine Missionstätigkeit von Christen, die Juden zum Glauben an Jesus Christus, das heißt an die Messiaswürde und Gottessohnschaft Jesu von Nazaret, bringen soll. Außerdem sollten Juden und Katholiken sich gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen und den Antisemitismus bekämpfen.
Es gibt keine Alternative zum Dialog. Für diesen Dialog gilt ein Wort Papst Benedikts: „Nach menschlicher Voraussicht wird dieser Dialog innerhalb der weitergehenden Geschichte nie zu einer Einheit der beiden Interpretationen führen: Das ist die Sache Gottes am Ende der Geschichte.“ Und mit Arie Folger gesprochen: „Das Ziel der interreligiösen Begegnung soll also nicht sein, einander überzeugen zu wollen, sondern miteinander respektvoll für eine bessere Welt einzusetzen.“
Ein Lebensalter war zu kurz, um früher eine Kathedrale zu bauen. Woran Christen und Juden nun bauen, das weiß ich nicht. Sicherlich an einer gemeinsamen Erde, die dem Willen des Ewigen mehr entspricht. Aber eine Kirche wird eine Kirche und eine Synagoge eine Synagoge bleiben – und diese Verschiedenheit ist gut so. Vielleicht bauen sie auch nicht, sondern wandern Seite an Seite durch die Zeit. Eine lebendige Religion wird dabei immer neu ihren Weg suchen und gehen müssen. Und zwei lebendige Religionen in ihrer je eigenen Vielfalt, werden immer Bedarf haben, sich aufeinander abzustimmen und aber auch je eigene Wegstrecken in Angriff zu nehmen, die der Andere nicht mitgeht. Der Ewige gibt uns das Ziel dieses Weges vor. In beiden Religionen gibt es Menschen, die mit der Leitung beauftragt sind. Es braucht aber auch jene – ob nun gebaut wird oder Wege und Schienen erhalten werden sollen, jene auf der Baustelle oder jene im Streckendienst – ohne die das gemeinsame Unternehmen nicht gelingen kann.
Ohne den Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit würden wir in Österreich nicht da stehen, wo die Beziehung zwischen Kirchen und die jüdischen Gemeinden heute tragfähig ist und Früchte trägt. Und wir werden Ihren Dienst auch in Zukunft brauchen – in einer anderen Generation mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten. Ich bitte dafür weiter um Ihren Einsatz und wünsche Ihnen allen Segen des Ewigen dazu.
Wir hören und achten so die Erklärung „Zwischen Jerusalem und Rom“ (2017) unserer jüdischen Brüder und Schwestern, worin es heißt: „Die Unterschiede in der jeweiligen Lehre sind wesentlich und können nicht debattiert oder verhandelt werden; ihre Bedeutung und Wichtigkeit sind Bestandteil der internen Erörterungen der jeweiligen Glaubensgemeinschaft. […] Jedoch sollen diese Unterschiede der jeweiligen Lehre unserer friedlichen Zusammenarbeit zum Wohl unserer gemeinsamen Welt und der Kinder des Noach nicht im Weg stehen. Deshalb ist es erforderlich, dass unsere Glaubensgemeinschaften sich weiterhin begegnen, miteinander vertraut werden und das Vertrauen des jeweils anderen gewinnen.“
„Trotz der unüberbrückbaren theologischen Differenzen, betrachten wir Juden die Katholiken als unsere Partner, enge Verbündete und Brüder bei unserer gemeinsamen Suche nach einer besseren Welt, in der Friede, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit herrschen mögen.“
„Trotz grundlegender theologischer Differenzen teilen Katholiken und Juden den gemeinsamen Glauben an den göttlichen Ursprung der Tora und an die Gedanke einer endgültigen Erlösung und heute auch die Überzeugung, dass Religionen durch moralisches Verhalten und religiöse Erziehung ─ nicht aber durch Krieg, Zwang oder gesellschaftlichen Druck – ihren inspirierenden Einfluss ausüben sollen.“
50 Jahre nach „Nostra Aetate“ (2015) blickt die „Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ mit dem Dokument „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (Röm 11,29) dankbar auf alles zurückblicken, was in den letzten Jahrzehnten in den jüdisch-katholischen Beziehungen erreicht worden ist. Zentrale Punkte sind die Beziehung zwischen der Heilsuniversalität Jesu Christi und dem ungekündigten Bundes Gottes mit Israel sowie die Betonung, dass die Katholische Kirche „keine institutionell verankerte Judenmission“ kenne. Als Judenmission bezeichnet man eine Missionstätigkeit von Christen, die Juden zum Glauben an Jesus Christus, das heißt an die Messiaswürde und Gottessohnschaft Jesu von Nazaret, bringen soll. Außerdem sollten Juden und Katholiken sich gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen und den Antisemitismus bekämpfen.
Es gibt keine Alternative zum Dialog. Für diesen Dialog gilt ein Wort Papst Benedikts: „Nach menschlicher Voraussicht wird dieser Dialog innerhalb der weitergehenden Geschichte nie zu einer Einheit der beiden Interpretationen führen: Das ist die Sache Gottes am Ende der Geschichte.“ Und mit Arie Folger gesprochen: „Das Ziel der interreligiösen Begegnung soll also nicht sein, einander überzeugen zu wollen, sondern miteinander respektvoll für eine bessere Welt einzusetzen.“
Ein Lebensalter war zu kurz, um früher eine Kathedrale zu bauen. Woran Christen und Juden nun bauen, das weiß ich nicht. Sicherlich an einer gemeinsamen Erde, die dem Willen des Ewigen mehr entspricht. Aber eine Kirche wird eine Kirche und eine Synagoge eine Synagoge bleiben – und diese Verschiedenheit ist gut so. Vielleicht bauen sie auch nicht, sondern wandern Seite an Seite durch die Zeit. Eine lebendige Religion wird dabei immer neu ihren Weg suchen und gehen müssen. Und zwei lebendige Religionen in ihrer je eigenen Vielfalt, werden immer Bedarf haben, sich aufeinander abzustimmen und aber auch je eigene Wegstrecken in Angriff zu nehmen, die der Andere nicht mitgeht. Der Ewige gibt uns das Ziel dieses Weges vor. In beiden Religionen gibt es Menschen, die mit der Leitung beauftragt sind. Es braucht aber auch jene – ob nun gebaut wird oder Wege und Schienen erhalten werden sollen, jene auf der Baustelle oder jene im Streckendienst – ohne die das gemeinsame Unternehmen nicht gelingen kann.
Ohne den Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit würden wir in Österreich nicht da stehen, wo die Beziehung zwischen Kirchen und die jüdischen Gemeinden heute tragfähig ist und Früchte trägt. Und wir werden Ihren Dienst auch in Zukunft brauchen – in einer anderen Generation mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten. Ich bitte dafür weiter um Ihren Einsatz und wünsche Ihnen allen Segen des Ewigen dazu.