Friedrich, Otto DAHEIM IN ZWEI RELIGIONEN
13/04/07 Persönlichkeiten
RUTH STEINER UND IHR BEKENNTNIS ZUM JUDENTUM UND ZUM CHRISTENTUM
Das Buch „Daheim in zwei Religionen“ von Ruth Steiner ist nicht ein großer Erinnerungsband, sondern es ist eine Zusammenstellung von Geschichten, welche die emeritierte Generalsekretärin der Katholischen Aktion Österreichs erzählt: Geschichten aus ihrer Biografie, die 1944 als Tochter jüdischer Österreicher auf den Philippinen begonnen hat, Geschichten von Ruth Steiners Engagement in der Kirche Österreichs – und da vor allem beim In-Gang-Setzen des Gesprächs zwischen Christen und Juden –, Geschichten von ihrem politischen Engagement, insbesondere was die Erinnerung an die Geschichte des 20. Jahrhunderts betrifft und Geschichten über die Zukunft – vor allem des Miteinanders von Christen und Juden.
Das Buch „Daheim in zwei Religionen“ von Ruth Steiner ist nicht ein großer Erinnerungsband, sondern es ist eine Zusammenstellung von Geschichten, welche die emeritierte Generalsekretärin der Katholischen Aktion Österreichs erzählt: Geschichten aus ihrer Biografie, die 1944 als Tochter jüdischer Österreicher auf den Philippinen begonnen hat, Geschichten von Ruth Steiners Engagement in der Kirche Österreichs – und da vor allem beim In-Gang-Setzen des Gesprächs zwischen Christen und Juden –, Geschichten von ihrem politischen Engagement, insbesondere was die Erinnerung an die Geschichte des 20. Jahrhunderts betrifft und Geschichten über die Zukunft – vor allem des Miteinanders von Christen und Juden.
Vieles, was Ruth Steiner in diesem Buch vor allem aus ihrer Zeit in der Katholischen Aktion – das war 1986 bis 2000 – erzählt, ist in den Fakten bekannt: Dass – im Gefolge der Auseinandersetzungen um Bundespräsident Waldheim – die ersten, großen offiziellen Begegnungen zwischen Repräsentanten der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinde in Österreich stattfanden, ist nichts Neues. Andere Ereignisse wie das Konzert für Österreich im Juni 1992 auf dem Wiener Heldenplatz, das eine „Antwort“ auf die Aussage Jörg Haiders von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich war, wurden seinerzeit auch im Ausland viel beachtet: Elie Wiesel, der Auschwitz-Überlebende und Friedensnobelpreisträger, hielt am Heldenplatz eine Rede, dort wo 54 Jahre zuvor Adolf Hitler bejubelt wurde. Und auch das Lichtermeer Anfang 1993 gegen das „Ausländer-Volksbegehren“ der FPÖ bleibt als größte politische Manifestation der Zweiten Republik in Erinnerung.
Bei all diesen Vorgängen und Veranstaltungen hatte Ruth Steiner die Hände mit im Spiel: Das wissen nur wenige.
Das Engagement von Ruth Steiner ist jedoch nicht das Eigentliche. Sondern das Bewegende, von dem das Büchlein Zeugnis gibt, sind die Wurzeln, auf Grund derer sie sich so engagiert. Dies liegt in ihrer Lebensgeschichte und – noch mehr – in ihrem Glauben begründet. Dieser Glaube ist der einer Christin, die in ihrem Herzen auch Jüdin geblieben ist. Wie das geht, und ob das geht, dazu bietet das Buch einiges an.
Meiner Meinung nach ist das, was Ruth Steiner hier zu leben versucht, ja immer noch eine Provokation. Auch der Titel: „Daheim in zwei Religionen“ – und noch brisanter: „Mein Bekenntnis zum Judentum UND zum Christentum“ – wird heute noch Anstoß erregen. Ich sage das bewusst als Angehöriger der katholischen Kirche: Der Hang zur Exklusivität – in dem Sinn: „außerhalb von uns gibt es kein Heil“ – ist gerade meiner Kirche immer noch nicht abhanden gekommen: Die Diskussion dieser Tage um das Lehrschreiben „Dominus Iesus“ aus Rom zeigt dies ja. Ruth Steiner bezeugt dem entgegen, dass und wie Grenzen zwischen zwei Religionen überschritten werden können – ganz gegen die Ängstlichkeit derer, die sich in der eigenen Religion wie in einer Festung verschanzen wollen.
Es kann wohl sein, dass sich die Autorin mit ihrem Bekenntnis zum Judentum und zum Christentum zwischen die Stühle setzt. Und ich weiß, dass Ruth Steiner diese Erfahrung kennt – von der einen Religion als „Davongelaufene“ nicht ganz ernst genommen zu werden, von der anderen als „Zugelaufene“ auch nur halb akzeptiert zu sein. Das klingt im Buch mehrmals an – etwa wenn sie erzählt, wie sie in ihrer jüdischen Familie für ihr Engagement angegriffen wurde, aber auch wenn sie berichtet, wie schwierig es in der katholischen Kirche oft ist, Verständnis für das christlich-jüdische Gespräch und die damit verbundenen politischen Implikationen zu wecken.
Ruth Steiner ist es aber, trotz aller Schwierigkeiten, gelungen, hier in Wien an einer Brücke zwischen Christen und Juden wesentlich mitzubauen. Ich würde es sogar so ausdrücken: Ruth Steiner ist der lebende Beweis dafür, dass man gerade dann, wenn man zwischen zwei Stühlen zu sitzen kommt, eine Brücke bilden kann.
Das Buch „Daheim in zwei Religionen“ vermittelt so mehrerlei:
Da geht es um die persönliche Geschichte der Jüdin Ruth Steiner, die 1944 – ich zitiere: „in einem chinesischen Spital der US-Kolonie der Philippinen unter japanischer Besetzung geboren wurde, ein Kind mit österreichischer Nationalität und deutscher Staatsbürgerschaft“. Die Geschichte setzt sich im Wien der 60-er Jahre fort, wo sie studiert und Christin wird. Spätestens mit der Waldheim-Krise wird Steiner aber schmerzlich bewusst, wie das Judentum in Österreich immer noch nicht unter „normalen“ Umständen leben kann, und welche Gräben zu überwinden sind. Diesem Anliegen hat sie sich seitdem verschrieben. Zum zweiten ist „Daheim in zwei Religionen“ ein Ausdruck der Geschichte Österreichs im ausklingenden 20. Jahrhundert, als die lange Verschwiegenheit über die Verstrickung in die NS-Herrschaft zerbrach. Ruth Steiner hat diesen Prozess aktiv mit betrieben im Wissen, dass es Zukunft ohne die Erinnerung, auch wenn sie schmerzt, nicht geben kann. Ich habe bereits zu Beginn angedeutet, wo Ruth Steiner – im Verborgenen, aber zielstrebig Fäden gezogen hat – nicht zuletzt mit Witz und Kreativität. Ein typisches Beispiel dafür: Die Autorin erzählt, dass beim „Lichtermeer“ Anfang 1993 auch die Kirchenglocken läuten sollten – der katholische Bischofsrat in Wien verweigerte aber die Genehmigung dazu. Und Steiner schreibt dann: „Ich besprach die Sache mit den evangelischen Pfarrern, die alle ankündigten, ihre Glocken läuten zu lassen. Da dachte ich mir: Es geht einfach nicht, dass die evangelischen Glocken läuten können, die katholischen aber nicht! Also habe ich jeden einzelnen Pfarrer in der Innenstadt angerufen und siehe: die evangelischen und katholischen Kirchen vereinigten sich im Glockengeläute!“ Ein Drittes: Das Buch handelt von einer tief religiösen Geschichte: Ruth Steiners Weg zum Christentum, ohne ihr Jüdin-Sein beseite zu lassen, ist spannend und nicht ohne Spannung. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie Christin ist, aber sie lässt es sich ebensowenig nehmen, im Judentum beheimatet zu bleiben. Sie gibt aber im Buch selbst zu, dass dieses doppelte Zuhause es mitunter kompliziert macht. Aber – und das prädestiniert sie zum Brückenbauen – sie schreibt auch:
Ich spüre, dass ich manche Dinge aus jüdischer Sicht sehe und sie ohne lange Erklärungen verstehen kann. Ich wage zu behaupten, dass ich ein starkes Sensorium dafür habe und deshalb vielleicht ein klein wenig vermitteln kann. ... Die Unwissenheit auf christlicher Seite über jüdisches Denken und Empfinden ist immer noch groß ...“
Schließlich stellt das Buch hohe Ansprüche: an Österreich, an die römisch-katholische Kirche, nicht zuletzt an die Katholische Aktion, deren Generalsekretärin Ruth Steiner vierzehn Jahre lang war. Die Autorin plädiert für den offenen Umgang mit der Vergangenheit und spart nicht mit Kritik. Diese Kritik – welche weder die Kirche noch die Katholische Aktion ausnimmt – ist aber nicht Besserwisserei, sondern das Bekenntnis einer leidenschaftlichen Österreicherin. Ruth Steiner ist durch viele Welten gekommen – von den Philippinen bis nach Wien, vom Judentum bis zum Christentum. Sie kann sich in diese Welten versetzen und wirbt für Verständnis – warum etwa für Juden die Aufarbeitung der Arisierungen im Dritten Reich so wichtig ist; oder warum das Argument, man möge mit den „alten Geschichten“ endlich aufhören, nicht zieht; oder warum der Auslandsblick auf Österreich so anders ist, als die Österreicher es gerne hätten.
Was 1986 mit der Waldheim-Krise begonnen hat, ist 2000 noch lange nicht ausgestanden. Mögen so genannte „Sanktionen“ aufgehoben werden oder nicht: Das kleine Buch, das ich Ihnen hier vorstellen darf, dient auch der Schärfung des Gedächtnisses und der Argumente in dieser Auseinandersetzung, der sich Österreich weiterhin stellen muss.
Bei all diesen Vorgängen und Veranstaltungen hatte Ruth Steiner die Hände mit im Spiel: Das wissen nur wenige.
Das Engagement von Ruth Steiner ist jedoch nicht das Eigentliche. Sondern das Bewegende, von dem das Büchlein Zeugnis gibt, sind die Wurzeln, auf Grund derer sie sich so engagiert. Dies liegt in ihrer Lebensgeschichte und – noch mehr – in ihrem Glauben begründet. Dieser Glaube ist der einer Christin, die in ihrem Herzen auch Jüdin geblieben ist. Wie das geht, und ob das geht, dazu bietet das Buch einiges an.
Meiner Meinung nach ist das, was Ruth Steiner hier zu leben versucht, ja immer noch eine Provokation. Auch der Titel: „Daheim in zwei Religionen“ – und noch brisanter: „Mein Bekenntnis zum Judentum UND zum Christentum“ – wird heute noch Anstoß erregen. Ich sage das bewusst als Angehöriger der katholischen Kirche: Der Hang zur Exklusivität – in dem Sinn: „außerhalb von uns gibt es kein Heil“ – ist gerade meiner Kirche immer noch nicht abhanden gekommen: Die Diskussion dieser Tage um das Lehrschreiben „Dominus Iesus“ aus Rom zeigt dies ja. Ruth Steiner bezeugt dem entgegen, dass und wie Grenzen zwischen zwei Religionen überschritten werden können – ganz gegen die Ängstlichkeit derer, die sich in der eigenen Religion wie in einer Festung verschanzen wollen.
Es kann wohl sein, dass sich die Autorin mit ihrem Bekenntnis zum Judentum und zum Christentum zwischen die Stühle setzt. Und ich weiß, dass Ruth Steiner diese Erfahrung kennt – von der einen Religion als „Davongelaufene“ nicht ganz ernst genommen zu werden, von der anderen als „Zugelaufene“ auch nur halb akzeptiert zu sein. Das klingt im Buch mehrmals an – etwa wenn sie erzählt, wie sie in ihrer jüdischen Familie für ihr Engagement angegriffen wurde, aber auch wenn sie berichtet, wie schwierig es in der katholischen Kirche oft ist, Verständnis für das christlich-jüdische Gespräch und die damit verbundenen politischen Implikationen zu wecken.
Ruth Steiner ist es aber, trotz aller Schwierigkeiten, gelungen, hier in Wien an einer Brücke zwischen Christen und Juden wesentlich mitzubauen. Ich würde es sogar so ausdrücken: Ruth Steiner ist der lebende Beweis dafür, dass man gerade dann, wenn man zwischen zwei Stühlen zu sitzen kommt, eine Brücke bilden kann.
Das Buch „Daheim in zwei Religionen“ vermittelt so mehrerlei:
Da geht es um die persönliche Geschichte der Jüdin Ruth Steiner, die 1944 – ich zitiere: „in einem chinesischen Spital der US-Kolonie der Philippinen unter japanischer Besetzung geboren wurde, ein Kind mit österreichischer Nationalität und deutscher Staatsbürgerschaft“. Die Geschichte setzt sich im Wien der 60-er Jahre fort, wo sie studiert und Christin wird. Spätestens mit der Waldheim-Krise wird Steiner aber schmerzlich bewusst, wie das Judentum in Österreich immer noch nicht unter „normalen“ Umständen leben kann, und welche Gräben zu überwinden sind. Diesem Anliegen hat sie sich seitdem verschrieben. Zum zweiten ist „Daheim in zwei Religionen“ ein Ausdruck der Geschichte Österreichs im ausklingenden 20. Jahrhundert, als die lange Verschwiegenheit über die Verstrickung in die NS-Herrschaft zerbrach. Ruth Steiner hat diesen Prozess aktiv mit betrieben im Wissen, dass es Zukunft ohne die Erinnerung, auch wenn sie schmerzt, nicht geben kann. Ich habe bereits zu Beginn angedeutet, wo Ruth Steiner – im Verborgenen, aber zielstrebig Fäden gezogen hat – nicht zuletzt mit Witz und Kreativität. Ein typisches Beispiel dafür: Die Autorin erzählt, dass beim „Lichtermeer“ Anfang 1993 auch die Kirchenglocken läuten sollten – der katholische Bischofsrat in Wien verweigerte aber die Genehmigung dazu. Und Steiner schreibt dann: „Ich besprach die Sache mit den evangelischen Pfarrern, die alle ankündigten, ihre Glocken läuten zu lassen. Da dachte ich mir: Es geht einfach nicht, dass die evangelischen Glocken läuten können, die katholischen aber nicht! Also habe ich jeden einzelnen Pfarrer in der Innenstadt angerufen und siehe: die evangelischen und katholischen Kirchen vereinigten sich im Glockengeläute!“ Ein Drittes: Das Buch handelt von einer tief religiösen Geschichte: Ruth Steiners Weg zum Christentum, ohne ihr Jüdin-Sein beseite zu lassen, ist spannend und nicht ohne Spannung. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie Christin ist, aber sie lässt es sich ebensowenig nehmen, im Judentum beheimatet zu bleiben. Sie gibt aber im Buch selbst zu, dass dieses doppelte Zuhause es mitunter kompliziert macht. Aber – und das prädestiniert sie zum Brückenbauen – sie schreibt auch:
Ich spüre, dass ich manche Dinge aus jüdischer Sicht sehe und sie ohne lange Erklärungen verstehen kann. Ich wage zu behaupten, dass ich ein starkes Sensorium dafür habe und deshalb vielleicht ein klein wenig vermitteln kann. ... Die Unwissenheit auf christlicher Seite über jüdisches Denken und Empfinden ist immer noch groß ...“
Schließlich stellt das Buch hohe Ansprüche: an Österreich, an die römisch-katholische Kirche, nicht zuletzt an die Katholische Aktion, deren Generalsekretärin Ruth Steiner vierzehn Jahre lang war. Die Autorin plädiert für den offenen Umgang mit der Vergangenheit und spart nicht mit Kritik. Diese Kritik – welche weder die Kirche noch die Katholische Aktion ausnimmt – ist aber nicht Besserwisserei, sondern das Bekenntnis einer leidenschaftlichen Österreicherin. Ruth Steiner ist durch viele Welten gekommen – von den Philippinen bis nach Wien, vom Judentum bis zum Christentum. Sie kann sich in diese Welten versetzen und wirbt für Verständnis – warum etwa für Juden die Aufarbeitung der Arisierungen im Dritten Reich so wichtig ist; oder warum das Argument, man möge mit den „alten Geschichten“ endlich aufhören, nicht zieht; oder warum der Auslandsblick auf Österreich so anders ist, als die Österreicher es gerne hätten.
Was 1986 mit der Waldheim-Krise begonnen hat, ist 2000 noch lange nicht ausgestanden. Mögen so genannte „Sanktionen“ aufgehoben werden oder nicht: Das kleine Buch, das ich Ihnen hier vorstellen darf, dient auch der Schärfung des Gedächtnisses und der Argumente in dieser Auseinandersetzung, der sich Österreich weiterhin stellen muss.