SUSI HABER (1922-2012)

Im Jahre 1992 haben meine Frau und ich Susi Haber und ihren Mann Karli anlässlich einer Fahrt nach Israel kennen gelernt. Erst auf der Rückfahrt kamen wir näher ins Gespräch, stellten fest, dass wir alle in Mödling wohnen und selbstverständlich war es für sie, uns in ihrem Auto mitzunehmen. Diese Spontanität, diese Offenheit und das auf den Anderen Zugehen waren typisch für sie und zugleich Anstoß und Grundlage für – wie auch in unserem Fall – viele Freundschaften.
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Susi wurde am 10. Juli 1922 als Sophie Mehl in Krakau geboren. Als Nesthäkchen mit vier älteren Geschwistern kam sie mit acht Jahren nach Wien. Die Familie übersiedelte in den 20. Wiener Gemeindebezirk. Hier wuchs sie auf, ging zur Schule und erlernte den Beruf einer Schneiderin. 1938 beginnt in Österreich die unselige Zeit des Nationalsozialismus, dem auch ihre Eltern zum Opfer fallen. Die 16-Jährige hat Glück: Es gelingt ihr die Flucht in die Schweiz dank der Hilfe des Schweizer Polizeihauptmannes Grünninger, der für etwa 3.000 Wiener Jüdinnen und Juden der Retter vor sicherer Verfolgung geworden ist.
In der Schweiz lernt sie Karl Haber kennen, hier wird 1942 geheiratet, hier kommt zwei Jahre später Sohn Paul zur Welt. 1945, nach Kriegsende, kommt Familie Haber nach Wien zurück, ohne finanzielle Mittel, aber mit der Bereitschaft, sich hier eine Existenz aufzubauen und zum Aufbau des Landes beizutragen. In diese Zeit fällt 1946 die Geburt der Tochter Ruth. Hier und später in Mödling spielt sich das Leben von Susi ab, hier wächst die Familie, hier ist sie ungebrochen der Mittelpunkt der Familie.
GESCHICHTE ERINNERN UND VERSTÄNDIGUNG FÖRDERN
Als ich Susi 1992 kennen lernen durfte, war sie in vielerlei Aktivitäten engagiert und steckte voller Pläne. Ihre Kreativität und ihre Gabe, Dinge direkt anzusprechen, gewann ihr viele Sympathien und waren oft Anstoß für Überlegungen und von Projekten. Alle hatten ein Ziel: Das Verständnis zwischen Juden und Christen zu fördern, der Jugend Geschehnisse der Vergangenheit zu vermitteln, der breiten Öffentlichkeit jüdische (und nicht nur diese) Kultur nahe zu bringen.
Ob sie nun als Zeitzeugin in Schulen wirkte, ob sie bei z. B. den theologischen Tagungen in Graz oder auch anderswo das Wort ergriff, ob sie bei Podiumsdiskussionen am Podium saß oder als Interviewpartnerin fungierte – sie war in der Öffentlichkeit präsent, immer ihre Meinung vertretend und zu Toleranz und gegenseitigem Verständnis aufrufend. Dies auch in verschiedenen filmischen Dokumentationen, die auch im Fernsehen ausgestrahlt wurden.
REHABILITIERUNG VON PAUL GRÜNINGER
Ihrem Retter Polizeihauptmann Grüninger dankte sie, indem sie erreichte, dass in Floridsdorf eine Schule nach ihm benannt wurde; aber auch, indem sie sich jahrelang in dem Komitee engagierte, das letztendlich die gerichtliche Rehabilitation Grüningers erreichte, der aufgrund seiner Verhaltensweise in Unehren aus dem Dienst entlassen worden war. Mit seiner Tochter Raduna war Susi bis zu ihrem Tode freundschaftlich verbunden.
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Susi Haber war es, die die Idee der Renovierung der Badener Synagoge voran trieb (und in persönlichen Gesprächen die ersten finanziellen Unterstützungen des Landes Niederösterreich erreichte) und die tatkräftig dafür sorgte, dass in Baden wieder Gottesdienste gefeiert wurden. Der Kreis der eingeladenen christlichen Freunde erinnert sich noch gerne an die Sederabende, die hier gemeinsam verbracht wurden. Ihre Bemühungen waren erfolgreich, heute ist die Synagoge renoviert und dient wieder dem jüdischen Kult.
EHRENMITGLIED DES KOORDINIERUNGSAUSSCHUSSES
Ihr Einsatz und ihr Bemühen im Sinne der christlich-jüdischen Zusammenarbeit wurde auch von offizieller Seite anerkannt und gewürdigt. Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit hat in Anerkennung Ihres Engagement Susi Haber am 15. April 2003 zum Ehrenmitglied ernannt.
Gesundheitliche Probleme erschwerten es Susi Haber während der letzten Jahre, am öffentlichen Leben so teilzunehmen, wie sie es gerne gewollt hätte. Sie hat aber ihren 90. Geburtstag noch im Kreis ihrer Familie erlebt und ist am 22. August 2012 friedlich eingeschlafen.
Sie möge ruhen in Frieden.
Horst Doležal

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