Pinchas Lapide zum 100. Geburtstag
Sehr geehrter Herr Dr. Yuval Lapide!
In großer Dankbarkeit erinnern wir an Ihren Vater, Pinchas Lapide, anlässlich seines 100. Geburtstages. Am 28. November 2022 als Erwin Pinchas Spitzer in Wien-Leopoldstadt in eine jüdische Familie hineingeboren, wuchs er im damaligen Zentrum jüdischen Lebens Wiens, der Mazzesinsel genannten Leopoldstadt, auf. Dass er als 16-jähriger nach der nationalsozialistischen Machtergreifung aus seiner Heimatstadt mit so vielen anderen jüdischen Wienerinnen und Wienern vertrieben wurde, gehört zur besonders dunklen Geschichte dieser Stadt. Nach einer abenteuerlichen Flucht fand Ihr Vater im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina Aufnahme und in Israel Heimat. Dort nahm er den Namen Lapide an und ist als Pinchas Lapide ein großer Brückenbauer zwischen Juden und Christen geworden. Mit der Wahl des neuen Namens, der auf das hebräische Wort für Fackel verweist, machte er deutlich, „Fackel und Lichtträger“ sein zu wollen mit einer durchaus kämpferischen Haltung, wie Sie selbst erklären und u.a. Bezug nehmen auf das biblische Buch Jesaja (Jes 62,1): „Um Zions willen werde ich nicht schweigen, um Jerusalems willen werde ich nicht still sein, bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel.“ Wir danken Ihnen, dass Sie sein Erbe weiterführen und wichtige Publikationen wieder zugänglich machen wie anlässlich seines 100. Geburtstages „Pinchas Lapide: Wer predigte in ihren Synagogen? Eine jüdische Sicht Jesus von Nazareth. Hrsg. von Yuval Lapide, Gütersloh 2022“.
Als jüdischer Neutestamentler sah Pinchas Lapide in den Evangelien eine „Urkunde jüdischen Glaubens“, „die von gläubigen Juden, für vorerst gläubige Juden, über Juden verfasst worden ist“. Gemeinsam mit seiner Frau Ruth, Ihrer Mutter, engagierte er sich im Glaubensdialog mit Christen und Christinnen, damit diese ihre jüdischen Wurzeln entdecken, Jesus als Juden kennenlernen und das Neue Testament in all seiner hebräischen Wort- und Gedankenwelt besser verstehen. Er verlangte eine Rückbesinnung auf das biblische Ethos, wie es der Prophet Jesaja formuliert: „Das Gute tun, Recht schaffen, Unterdrückten helfen.“
Die Evangelische Kirche Hessen-Nassau hat Ihren Vater eingeladen, mit seiner Familie nach Deutschland zu kommen. Dieser Einladung ist es zu verdanken, dass sich Ihr Vater und Ihre Mutter mit Ihnen 1974 in Frankfurt/M niedergelassen haben und über so viele Jahre
segensreich für die jüdisch-christlichen Beziehungen in Deutschland und darüber hinaus gewirkt haben. „Wenn nicht wir, wer dann,“ hat Ihre Mutter, Ruth Lapide später gesagt, „um die Menschen dort aufzuklären, wo die Wurzel des Übels war und eine Versöhnung zwischen Christen und Juden dringender denn je gebraucht wird, damit sich solch ein Übel niemals wiederhole.“
Auf christlicher Seite hat sich mittlerweile viel verändert, wofür Ihr Vater ein wichtiger Wegbereiter war. Die Erklärung „Zeit zur Umkehr – Die Evangelischen Kirchen und die Juden“ vom Jahre 1998 verwirft die judenfeindlichen Forderungen der Spätschriften Martin Luthers. Das Schweizerische Katholische Bibelwerk regt an, die Sonntagsevangelien als jüdische Texte zu lesen. Bischof Manfred Scheuer weist darauf hin, dass Jesus ohne sein Judentum für Christen nicht zu haben ist.
Der Weitblick, der Ihren Vater auszeichnet, zeigt sich in seiner Forderung aus dem Jahre 1985 (!), die von unglaublicher Aktualität ist: „Vor allem benötigen wir den Dialog, um gemeinsam unsere biblische Aufgabe zu erfüllen, die heute mehr denn je in der Bewahrung der Schöpfung besteht, in der Wahrung von Menschenwürde und Menschenrechten überall und im Aufbau jenes Schalom, der die Kriegsgefahren unserer Tage durch unser Beispiel gelebter Entfeindung und versöhnter Eintracht-in-der-Vielfalt zu entschärfen gewillt ist.“
In großer Dankbarkeit für Ihren Vater, Pinchas Lapide, und sein Wirken in Zusammenarbeit mit seiner Frau Ruth zeichnen wir für den Vorstand des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit freundlichen Grüßen
Dr. Willy Weisz, Vizepräsident
Dr. Margit Leuthold, Vizepräsidentin
Dr. Yuval Katz-Wilfling, Geschäftsführer
Dr. Martin Jäggle, Präsident
ZWISCHENRUF
Pinchas Lapide
Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, über Pinchas Lapide, anlässlich dessen 100. Geburtstages
In großer Dankbarkeit erinnern wir an Ihren Vater, Pinchas Lapide, anlässlich seines 100. Geburtstages. Am 28. November 2022 als Erwin Pinchas Spitzer in Wien-Leopoldstadt in eine jüdische Familie hineingeboren, wuchs er im damaligen Zentrum jüdischen Lebens Wiens, der Mazzesinsel genannten Leopoldstadt, auf. Dass er als 16-jähriger nach der nationalsozialistischen Machtergreifung aus seiner Heimatstadt mit so vielen anderen jüdischen Wienerinnen und Wienern vertrieben wurde, gehört zur besonders dunklen Geschichte dieser Stadt. Nach einer abenteuerlichen Flucht fand Ihr Vater im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina Aufnahme und in Israel Heimat. Dort nahm er den Namen Lapide an und ist als Pinchas Lapide ein großer Brückenbauer zwischen Juden und Christen geworden. Mit der Wahl des neuen Namens, der auf das hebräische Wort für Fackel verweist, machte er deutlich, „Fackel und Lichtträger“ sein zu wollen mit einer durchaus kämpferischen Haltung, wie Sie selbst erklären und u.a. Bezug nehmen auf das biblische Buch Jesaja (Jes 62,1): „Um Zions willen werde ich nicht schweigen, um Jerusalems willen werde ich nicht still sein, bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel.“ Wir danken Ihnen, dass Sie sein Erbe weiterführen und wichtige Publikationen wieder zugänglich machen wie anlässlich seines 100. Geburtstages „Pinchas Lapide: Wer predigte in ihren Synagogen? Eine jüdische Sicht Jesus von Nazareth. Hrsg. von Yuval Lapide, Gütersloh 2022“.
Als jüdischer Neutestamentler sah Pinchas Lapide in den Evangelien eine „Urkunde jüdischen Glaubens“, „die von gläubigen Juden, für vorerst gläubige Juden, über Juden verfasst worden ist“. Gemeinsam mit seiner Frau Ruth, Ihrer Mutter, engagierte er sich im Glaubensdialog mit Christen und Christinnen, damit diese ihre jüdischen Wurzeln entdecken, Jesus als Juden kennenlernen und das Neue Testament in all seiner hebräischen Wort- und Gedankenwelt besser verstehen. Er verlangte eine Rückbesinnung auf das biblische Ethos, wie es der Prophet Jesaja formuliert: „Das Gute tun, Recht schaffen, Unterdrückten helfen.“
Die Evangelische Kirche Hessen-Nassau hat Ihren Vater eingeladen, mit seiner Familie nach Deutschland zu kommen. Dieser Einladung ist es zu verdanken, dass sich Ihr Vater und Ihre Mutter mit Ihnen 1974 in Frankfurt/M niedergelassen haben und über so viele Jahre
segensreich für die jüdisch-christlichen Beziehungen in Deutschland und darüber hinaus gewirkt haben. „Wenn nicht wir, wer dann,“ hat Ihre Mutter, Ruth Lapide später gesagt, „um die Menschen dort aufzuklären, wo die Wurzel des Übels war und eine Versöhnung zwischen Christen und Juden dringender denn je gebraucht wird, damit sich solch ein Übel niemals wiederhole.“
Auf christlicher Seite hat sich mittlerweile viel verändert, wofür Ihr Vater ein wichtiger Wegbereiter war. Die Erklärung „Zeit zur Umkehr – Die Evangelischen Kirchen und die Juden“ vom Jahre 1998 verwirft die judenfeindlichen Forderungen der Spätschriften Martin Luthers. Das Schweizerische Katholische Bibelwerk regt an, die Sonntagsevangelien als jüdische Texte zu lesen. Bischof Manfred Scheuer weist darauf hin, dass Jesus ohne sein Judentum für Christen nicht zu haben ist.
Der Weitblick, der Ihren Vater auszeichnet, zeigt sich in seiner Forderung aus dem Jahre 1985 (!), die von unglaublicher Aktualität ist: „Vor allem benötigen wir den Dialog, um gemeinsam unsere biblische Aufgabe zu erfüllen, die heute mehr denn je in der Bewahrung der Schöpfung besteht, in der Wahrung von Menschenwürde und Menschenrechten überall und im Aufbau jenes Schalom, der die Kriegsgefahren unserer Tage durch unser Beispiel gelebter Entfeindung und versöhnter Eintracht-in-der-Vielfalt zu entschärfen gewillt ist.“
In großer Dankbarkeit für Ihren Vater, Pinchas Lapide, und sein Wirken in Zusammenarbeit mit seiner Frau Ruth zeichnen wir für den Vorstand des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit freundlichen Grüßen
Dr. Willy Weisz, Vizepräsident
Dr. Margit Leuthold, Vizepräsidentin
Dr. Yuval Katz-Wilfling, Geschäftsführer
Dr. Martin Jäggle, Präsident
ZWISCHENRUF
Pinchas Lapide
Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, über Pinchas Lapide, anlässlich dessen 100. Geburtstages