Dieses Mal ist es anders: Novemberpogrom-Gedenken 2020
Erklärung des Präsidenten des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle, zum Jahrestag der NS-Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung am 9. November – „Gedenken ist nicht abgesagt“
Der Vorsitzende des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle, hat in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung zum Jahrestag der NS-Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung am 9. November 1938 auf die besonderen Bedingungen dieses Gedenkens „zwischen Terror und Pandemie“ verwiesen. Der November-Pogrome zu gedenken, bedeute zugleich, Wert und Würde eines jeden Menschen zu respektieren. Ebenso bedeute dieses Gedenken, alles zu tun, damit jüdische Menschen in Österreich in Sicherheit, in Würde und Wertschätzung leben können.
Die Erklärung von Prof. Jäggle hat folgenden Wortlaut:
Das Gedenken an die Novemberpogrome des NS-Regimes vom 9. November 1938 findet dieses Jahr im Schatten des Attentats im Umfeld des Wiener Stadttempels und unter den Bedingungen der Pandemie statt.
Das Attentat schockiert uns, die Opfer machen uns betroffen und das Leid der Angehörigen ruft nach unserer Anteilnahme. Umso ermutigender sind die vielen Zeichen der Verbundenheit, besonders der Repräsentanten der Kirchen und Religionsgesellschaften, aber auch die Worte, die Bundespräsident Van der Bellen und Bundeskanzler Kurz gesprochen haben. Der Österreichischen Ordenskonferenz ist zuzustimmen: „Stehen wir ein für ein offenes Wien, für eine Stadt, die sich nicht fürchtet, sondern zusammenhält. In Gebet oder Gedenken verbinden wir uns mehr, als dass Hass uns zu trennen vermag!“
Die Bedingungen der Pandemie führten zur Absage fast aller Veranstaltungen zum Gedenken der Novemberpogrome. Ebenso kann der ökumenische Gottesdienst in der Kirche St. Ruprecht, die direkt am Tatort des Attentats liegt, nicht stattfinden. Doch damit ist und darf das Gedenken nicht abgesagt sein.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die Synagogen im ganzen damaligen Deutschen Reich NS-Herrschaftsbereich zerstört, auch in Österreich brannten die jüdischen Gebetshäuser. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. Jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet, 6.547 jüdische Wiener wurden verhaftet. Die Novemberpogrome 1938 waren der Auftakt zur Shoah, in der sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet worden sind. Was staatlich organisiert war, hatte im tiefverwurzelten gesellschaftlichem Antisemitismus und Judenhass seinen Rückhalt.
Die Zerstörung der Synagogen, der jüdischen Orte des Gebetes, des Gottesdienstes, der Versammlung und des Lernens, sollte auch die jüdischen Gemeinden zerstören. Zu oft werden Beschädigungen jüdischer Einrichtungen unter Sachschäden bagatellisiert, sie sind aber Aggressionen auf jüdisches Leben, das gedemütigt, herabgewürdigt und möglichst klein gehalten, gestört und zerstört werden soll. Ähnliches gilt auch für Beschädigungen von Kirchen und Moscheen, erst Recht von Attentaten in diesen.
Im Jahre 2020, im Schatten des Attentats von Wien und unter den Bedingungen der Pandemie, ist das Gedenken der Novemberpogrome in besonderer Weise in die Verantwortung der Einzelnen gestellt. Die ökumenische Initiative „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“ lädt zu einem stillen persönlichen Gedenken ein:
- Worte des Gedenkens auf den Blog „Gedenken der Novemberpogrome 1938“ zu posten.
- Die Lesungen aus der Bibel zu hören (oder zu lesen): Ex 20,1-17
- Die Gedanken von Prof. Regina Polak dazu zu hören
- Orte, an denen es früher jüdisches Leben gab (Synagogen, Steine des Gedenkens etc.) im Laufe des Tages in aller Stille und allein aufzusuchen.
- Beim Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz eine Kerze zu entzünden.
Alle Informationen sind zu finden auf www.christenundjuden.org. Die Möglichkeit zum Posten und die Audiofiles gibt es dort am 9. November 2020.
Gedenken des Vergangenen in der Gegenwart ist stets auf Zukunft gerichtet, sonst bleibt das „Nie wieder!“ hohles Pathos. Der Novemberpogrome zu gedenken, bedeutet zugleich, Wert und Würde eines jeden Menschen zu respektieren. Im Talmud heißt es: "Jeder einzelne soll sich sagen: Für mich ist die Welt erschaffen worden, daher bin ich mit verantwortlich.“
Österreich braucht noch mehr Anstrengungen, ein aktiv offenes und einander wertschätzendes Zusammenleben zu gestalten und allen Polarisierungen eine Absage zu erteilen. Dringend erforderlich sind Schritte, wie sie das aktuelle Regierungsprogramm „Verantwortung für Österreich“ vorsieht, das erstmals den Kampf gegen Antisemitismus als politische Querschnittmaterie etabliert hat. Leider fehlt bisher dafür ein konsistentes konkretes Durchführungskonzept.
Jüdisches Leben ist ein unverzichtbarer Teil von Österreich. Dass es nach der Shoah wieder aufgeblüht ist, macht uns dankbar und verantwortlich, alles zu tun, damit jüdische Bürgerinnen und Bürger nicht nur in Sicherheit, sondern auch in Würde und Wertschätzung leben können.
Der Vorsitzende des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle, hat in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung zum Jahrestag der NS-Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung am 9. November 1938 auf die besonderen Bedingungen dieses Gedenkens „zwischen Terror und Pandemie“ verwiesen. Der November-Pogrome zu gedenken, bedeute zugleich, Wert und Würde eines jeden Menschen zu respektieren. Ebenso bedeute dieses Gedenken, alles zu tun, damit jüdische Menschen in Österreich in Sicherheit, in Würde und Wertschätzung leben können.
Die Erklärung von Prof. Jäggle hat folgenden Wortlaut:
Das Gedenken an die Novemberpogrome des NS-Regimes vom 9. November 1938 findet dieses Jahr im Schatten des Attentats im Umfeld des Wiener Stadttempels und unter den Bedingungen der Pandemie statt.
Das Attentat schockiert uns, die Opfer machen uns betroffen und das Leid der Angehörigen ruft nach unserer Anteilnahme. Umso ermutigender sind die vielen Zeichen der Verbundenheit, besonders der Repräsentanten der Kirchen und Religionsgesellschaften, aber auch die Worte, die Bundespräsident Van der Bellen und Bundeskanzler Kurz gesprochen haben. Der Österreichischen Ordenskonferenz ist zuzustimmen: „Stehen wir ein für ein offenes Wien, für eine Stadt, die sich nicht fürchtet, sondern zusammenhält. In Gebet oder Gedenken verbinden wir uns mehr, als dass Hass uns zu trennen vermag!“
Die Bedingungen der Pandemie führten zur Absage fast aller Veranstaltungen zum Gedenken der Novemberpogrome. Ebenso kann der ökumenische Gottesdienst in der Kirche St. Ruprecht, die direkt am Tatort des Attentats liegt, nicht stattfinden. Doch damit ist und darf das Gedenken nicht abgesagt sein.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die Synagogen im ganzen damaligen Deutschen Reich NS-Herrschaftsbereich zerstört, auch in Österreich brannten die jüdischen Gebetshäuser. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. Jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet, 6.547 jüdische Wiener wurden verhaftet. Die Novemberpogrome 1938 waren der Auftakt zur Shoah, in der sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet worden sind. Was staatlich organisiert war, hatte im tiefverwurzelten gesellschaftlichem Antisemitismus und Judenhass seinen Rückhalt.
Die Zerstörung der Synagogen, der jüdischen Orte des Gebetes, des Gottesdienstes, der Versammlung und des Lernens, sollte auch die jüdischen Gemeinden zerstören. Zu oft werden Beschädigungen jüdischer Einrichtungen unter Sachschäden bagatellisiert, sie sind aber Aggressionen auf jüdisches Leben, das gedemütigt, herabgewürdigt und möglichst klein gehalten, gestört und zerstört werden soll. Ähnliches gilt auch für Beschädigungen von Kirchen und Moscheen, erst Recht von Attentaten in diesen.
Im Jahre 2020, im Schatten des Attentats von Wien und unter den Bedingungen der Pandemie, ist das Gedenken der Novemberpogrome in besonderer Weise in die Verantwortung der Einzelnen gestellt. Die ökumenische Initiative „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“ lädt zu einem stillen persönlichen Gedenken ein:
- Worte des Gedenkens auf den Blog „Gedenken der Novemberpogrome 1938“ zu posten.
- Die Lesungen aus der Bibel zu hören (oder zu lesen): Ex 20,1-17
- Die Gedanken von Prof. Regina Polak dazu zu hören
- Orte, an denen es früher jüdisches Leben gab (Synagogen, Steine des Gedenkens etc.) im Laufe des Tages in aller Stille und allein aufzusuchen.
- Beim Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz eine Kerze zu entzünden.
Alle Informationen sind zu finden auf www.christenundjuden.org. Die Möglichkeit zum Posten und die Audiofiles gibt es dort am 9. November 2020.
Gedenken des Vergangenen in der Gegenwart ist stets auf Zukunft gerichtet, sonst bleibt das „Nie wieder!“ hohles Pathos. Der Novemberpogrome zu gedenken, bedeutet zugleich, Wert und Würde eines jeden Menschen zu respektieren. Im Talmud heißt es: "Jeder einzelne soll sich sagen: Für mich ist die Welt erschaffen worden, daher bin ich mit verantwortlich.“
Österreich braucht noch mehr Anstrengungen, ein aktiv offenes und einander wertschätzendes Zusammenleben zu gestalten und allen Polarisierungen eine Absage zu erteilen. Dringend erforderlich sind Schritte, wie sie das aktuelle Regierungsprogramm „Verantwortung für Österreich“ vorsieht, das erstmals den Kampf gegen Antisemitismus als politische Querschnittmaterie etabliert hat. Leider fehlt bisher dafür ein konsistentes konkretes Durchführungskonzept.
Jüdisches Leben ist ein unverzichtbarer Teil von Österreich. Dass es nach der Shoah wieder aufgeblüht ist, macht uns dankbar und verantwortlich, alles zu tun, damit jüdische Bürgerinnen und Bürger nicht nur in Sicherheit, sondern auch in Würde und Wertschätzung leben können.