Wien: Sorge um Anti-NS-Glaskunstwerk am Stephansplatz

Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit lud zum Gedenken an "Anschlussgesetz" vor 85 Jahren in bisher kirchlich vermietete Anwaltsräume mit moderner "Glasmalerei", das Nürnberger Rassengesetze thematisiert - Künstler Herwig Steiner besorgt über "Nachnutzung" nach Mietvertragsende
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In kirchlich vermieteten Räumlichkeiten am Stephansplatz 6 treffen Besucher der dortigen Anwaltskanzlei seit 17 Jahren auf ein spektakuläres Kunstwerk, das laut dem Schöpfer, dem bildender Künstler Herwig Steiner, die "Pathologie des Rechts" zeigt: Auf vier großflächigen, raumtrennenden Glaswänden sind darauf Auszüge aus den Nürnberger Rassengesetzen zu lesen, die Unmenschlichkeit gegenüber Juden legitimierten. Lange wurden auf Rechtsberatung wartende Besucher der Kanzlei von Rechtsanwalt Andreas Manak mit dieser Installation und damit mit möglichen Abgründen von Rechtssprechung konfrontiert - der inzwischen an eine Modelagentur übergegangene Mietvertrag läuft allerdings im April aus und was mit Steiners Arbeiten weiter geschieht, ist unklar.

Dass sein Werk in Sichtweite des Stephansdoms dort nicht verbleiben kann, wurde bei einem Pressegespräch deutlich, zu dem der Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit nicht zufällig am Montag, 13. März, - exakt 85 Jahre nach dem die Machtergreifung Hitlers in Österreich legitimierenden "Anschlussgesetz" - in die Räumlichkeiten eingeladen hatte. Das Wiener Domkapitel wolle die Räume nach April anderweitig nutzen und die bisher öffentlich zugänglichen, von Rechtsanwalt Manak vor fast 20 Jahren beauftragten gläsernen Mahnmale nicht übernehmen, teilte Herwig Steiner mit. Er bedaure das, denn "Gesetz und Verbrechen" - so der Titel seines Oeuvre - passe nirgendwo besser als an einen Ort, wo man sich gegenwärtig auf Recht bezieht.

Auch Martin Jäggle, katholischer Theologe und Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, würde eine Weitervermietung der Räumlichkeiten an junge Rechtsanwälte begrüßen, sagte er gegenüber Kathpress. Die Erinnerung Steiners daran, dass Recht auch zur "Legitimierung von Verbrechen" missbraucht werden kann, bleibe an einem adäquaten Ort lebendig statt "museal" zu werden. Freilich: Die sperrigen, genau an die Gegebenheiten der Manak-Kanzlei angepassten Glaswände seien ohne Einbeziehung oder Zustimmung der kirchlichen Vermieter angefertigt und angebracht worden.

Bemühen um "Nachnutzung"

Herwig Steiner bekam die mehr als 3 Meter hohen Glaspaneele von Manak zurück und ist derzeit - wie er berichtete - mit verschiedenen Einrichtungen in Kontakt über eine Nachnutzung. Gespräche habe es diesbezüglich mit dem Justizministerium und mit Verfassungsgerichtshof-Präsident Christoph Grabenwarter, mit der Leiterin des Hauses der Geschichte, Monika Sommer, sowie mit kirchlichen Fachleuten wie dem in der Bischofskonferenz mit Kulturfragen betrauten Innsbrucker Bischof Hermann Glettler oder mit der Direktorin des "Dom Museum Wien", Johanna Schwanberg, gegeben.

Mit den halbtransparenten Glaswänden nahe dem gotischen Stephansdom sei bewusst an mittelalterliche Glasmalerei angeknüpft worden und damit sei auch eine Gedächtnisbrücke zur "Wiener Gesera", der ersten planmäßigen Vernichtung der jüdischen Gemeinden im Herzogtum Österreich im Jahr 1421, geschlagen worden, so Steiner.

Schuldgeschichte der Kirche

Ausschuss-Präsident Jäggle erklärte zu diesem Auswuchs eines christlichen Antijudaismus, dieser habe eine jahrhundertelange Schuldgeschichte der Kirche mit gegen Juden gerichteten Schikanen und Verfolgungen eingeleitet und dem NS-Rassen-Wahn den Boden bereitet. Bereits 6 Wochen nach dem "Anschlussgesetz" vom 13. März 1938 seien Österreichs Schulen "judenfrei" gewesen - auch dafür habe der christlich verbrämte Austrofaschismus ideologische Vorarbeit geleistet: Jäggle erinnerte daran, dass es ab 1934 an seinem ehemaligen Gymnasium in der Wiener Wasagasse eigene Klassen für Juden gab, um deren "schlechten Einfluss" zu minimieren.

Die katholische Kirche habe lange gebraucht, um sich ihrer antijüdischen Schuldgeschichte zu stellen: Als Beispiel für notwendige Aufarbeitung nannte Jäggle das auch als Verpflichtung für die Zukunft zu verstehende Statement der Katholisch-Theologische Fakultät der Uni Wien von 2021 anlässlich des 600-Jahr-Gedenkens der Wiener Gesera.

Quelle: Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
(www.kathpress.at)

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