„KIRCHEN DURCH GEMEINSAME VERWURZELUNG IM JUDENTUM VERBUNDEN“
19/06/12 Tag des Judentums
Wien. Beim ökumenischen Gottesdienst zum „Tag des Judentums“ der christlichen Kirchen in Österreich, hat der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura die gemeinsame Wurzel aller christlichen Konfessionen im Judentum hervorgehoben.
Gerade für die Einheit der Christen habe das Judentum eine besondere Bedeutung, betonte Dura. „Bei allen Trennungen der Christenheit untereinander ist allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind“, so Dura wörtlich in seiner Predigt am Dienstagabend beim Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) zum „Tag des Judentums“.
Am Gottesdienst in der evangelischen Auferstehungskirche im siebten Wiener Gemeindebezirk nahmen neben Dura unter anderem der römisch-katholische Bischof von Innsbruck, Manfred Scheuer, der orthodoxe Metropolit Arsenios Kardamakis und der lutherische Bischof Michael Bünker teil. Darüber hinaus fanden sich auch der Wiener Weihbischof Franz Scharl, Oberkirchenrätin Hannelore Reiner, der reformierte Superintendent Thomas Hennefeld, der Wiener lutherische Superintendent Hansjörg Lein, Bischof John Okoro von der Altkatholischen Kirche und Pastorin Aileen Hackl von der Anglikanischen Kirche unter den Anwesenden. Auch Lother Pöll, Superintendent der Evangelisch methodistischen Kirche war zum gemeinsamen Gebet gekommen.
KEIN CHRISTSEIN OHNE WERTSCHÄTZUNG DER WURZEL
Ein Christentum ohne Bezugnahme auf seine jüdische Grundlage sei wie „ein Baum ohne Wurzeln“, so Dura. Der Bischofsvikar erinnerte an Papst Johannes Paul II., der vor 25 Jahren gesagt habe: „Wer die jüdischen Wurzeln des Glaubens nicht hoch schätzt, kann nicht Christ sein“. Jesus Christus sei nicht zu haben ohne den Alten Bund, er sei nicht zu trennen und nicht zu verstehen „ohne die Sendung Israels“, so Dura: „Wer Jesus begegnet und als Christ leben möchte, begegnet dem Judentum.“
Der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar verwies darauf, dass es in der orthodoxen christlichen Tradition wichtige Einflüsse aus der jüdischen Praxis gebe. So sei beispielsweise das liturgische Beten der Orthodoxie zutiefst vom Alten Testament geprägt. Dura: "Mit Recht hat der Heilige Athanasios von Alexandrien verlangt, dass jeder aus der Kirche ausgeschlossen werden sollte, der das Alte Testament vom Neuen Testament trennen möchte."
Der ÖRKÖ-Vorsitzende erinnerte auch an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., der dazu aufgerufen habe, "die Folgen der gegenseitigen Feindschaft abzuschütteln und eine neue Beziehung untereinander aufzubauen, eine echte und authentische Beziehung, die der inneren Bereitschaft entspringt, einander zu verstehen und besser kennen zu lernen". Vor einem Monat, am 20. Dezember 2011, unterzeichneten in Nikosia das Oberhaupt der orthodoxen Kirche von Zypern, Erzbischof Chrysostomos, und der israelische Großrabbiner Yona Metzger eine gemeinsame feierliche Erklärung, in der die Theorie einer jüdischen "Kollektivschuld" am Tod Jesu als absolut illegitim zurückgewiesen wird. Dura: "Es handelt sich um die erste offizielle Erklärung einer orthodoxen Kirche in diesem Sinn."
ÖKUMENISCHE INITIATIVE
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) hat im Jahr 2000 den „Tag des Judentums“ als Gedenktag im Kirchenjahr eingeführt. Am „Tag des Judentums“, der immer am 17. Jänner begangen wird, sollen sich die Christen in besonderer Weise ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden und zugleich des von ihnen an jüdischen Menschen und ihrem Glauben begangenen Unrechts in der Geschichte gedenken. In Österreich ist der „Tag des Judentums“ ein ökumenischer Gedenktag der Kirchen, bewusst mit Blick darauf, das Jüdische im Christentum selbst zu thematisieren. In Italien wird der „Giornata dell’ebraismo“ seit 1990 jährlich mit einem anderen Thema gefeiert, das von einem Bischof und einem Rabbiner vorgestellt wird: www.nostreradici.it/17_gennaio.htm
In den Niederlanden ist der „Dag van het Jodendtom“ eine Initiative der katholischen Bischofskonferenz. Er bietet eine Gelegenheit, das Judentum kennenzulernen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Juden und Christen anzusprechen. Begangen wird er seit dem Jahr 2009: www.dagvanhetjodendom.nl Die katholische Kirche in der Schweiz hat 2011 einen Dies Judaicus eingeführt, der allerdings am 2. Fastensonntag begangen wird: kath.ch
In Polen ist seit 1998 der Tag des Judentums jeweils ein Anlass zur Begegnung hochrangiger katholischer und jüdischer Würdenträger. www.jcrelations.net/Day_of_Judaism_in_the_Churches_of_Europe.222.0.html
BEGEGNUNG MIT OBERRABBINER EISENBERG
In Österreich wird seit 2011 auch die Begegnung mit Vertretern der jüdischen Gemeinde intensiviert. Am Dienstagvormittag traf eine Delegation des ÖRKÖ mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg zusammen. Das Datum für den „Tag des Judentums“ ist mit dem 17. Jänner bewusst gewählt: Den Geist dieses Tages sollen die Kirchen in die anschließende weltweite „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ (18. bis 25. Jänner) weiter tragen.
kathpress, 18.11.2012